Seite:Grimm Linas Maerchenbuch II 114.jpg

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Ritter war immer der Erste in jeder Gattung des Waffenspiels. Und es säumte schon der Abend die Wolken mit röthlichem Scheine und vergoldete die knospenden Zweige der Bäume mit warmem Lichte; da hielt der trotzige Sieger in Mitten der Kampfbahn, und winkte mit der Lanze hinauf und rief: „Nun Junkherrlein, so es dir gefällt, so setze dich auf dein Rößlein, und reite herein in die Schranken. Gib aber hübsch Achtung, daß du vor Angst nicht vom Sattel fallest, ehe ich dich mit der Lanze herabhebe, und über das Geländer hinausschleudere. Aber mich jammert doch dein, ich will den ungleichen Kampf dir meinetwegen erlassen, wenn du es geduldig erträgst, daß ich ohne Grüßen vor dir vorbeireite.“

Darauf sprach Adelbert in seiner Seele: „O, lieb Mütterlein, laß an diesem die Macht deines Saitenspiels kund werden, und meines Gesanges,“ und wollte hinabsteigen. Aber der König sprach zu ihm: „Bleibt hier, lieber Junkherr! bleibt hier. Der trotzige Mann macht mirs selbst ja nicht besser, und ich bin doch sein König. Aber er ist der kundigste und stärkste Fechter meines Landes.“

„Ei,“ sprach Adelbert, „um so eher verdient er, daß ich hinabsteige, und die störrige Kraft zu bezähmen suche, und ihn lehre, daß es noch etwas Höheres gibt, als das rohe Dreinschlagen, vor dem die leibliche Kraft sich in Demuth

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Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)