Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 006.jpg

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aus dem Spreewalde (bei Veckenstedt S. 254 nr. 21. E. Kühn, Der Spreewald 1889 S. 143) holt die Kröte der jüngsten Schwester ihre Goldkugel aus dem Brunnen. – Einige polnische Märchen schließen gleich dem paderbörnischen nicht mit der Entzauberung des Frosches, sondern lassen dem Verbrennen der Tierhülle eine Entrückung des Jünglings und eine mühevolle Wanderung der Braut[1] folgen, so eine 1846 von J. Lompa in Oberschlesien aufgezeichnete Fassung (Nehring, Mitt. der schles. Ges. f. Volksk. 2, Heft 3, 17), wo der Klotz [!] abends vor der Tür der jüngsten Tochter ruft: ‘Turu turu turu, öffne mir, mein Liebchen! Denn du hast es mir gelobt, als du Wasser aus dem Brünnlein schöpftest’; eine ähnliche ebd. Heft 6, 50 (Bär); eine weitere aus dem Regierungsbez. Kosel bei Malinowski 2, 101, wo die Mutter die Kuhhaut in den Ofen wirft und die Tochter in eisernen Schuhen zu Mond, Sonne und Wind wallfahrtet und als Gänsehirtin von der Frau des Prinzen drei Nächte bei ihm erkauft. Ähnlich sind eine vierte Fassung aus dem Bezirk Lublin (Wisła 7, 157) und eine kaschubische aus Schwarzauerkämpe bei Bronisch S. 33; in jener schläft das Mädchen, das einen Zuber mit ihren Tränen füllen soll, endlich ein, und eine Zauberin setzt sich an ihre Stelle und betört den Prinzen; in dieser erhält es von Sonne, Mond und Wind eine goldene Spindel, Spinnrocken und Haspel zum Geschenk. Ein andres polnisches Märchen aus dem Bez. Kreuzburg bei Malinowski 2, 240 schließt dagegen damit, daß das Mädchen der Schlange von der Quelle den Schwanz abreißt und den Prinzen entzaubert. Bei Kozłowski S. 295 verbunden mit dem Stoffe von der Stieftochter, statt des Frosches ein schwarzer Köter, der Stiefmutter Tochter frißt der Wolf unter dem Federbette. Aus Kujawien bei Kolberg, Lud 3, 122 nr. 4 (Schlange statt Frosch). – In einer entstellten kleinrussischen Fassung bei Kuliš 2, 14 führt die Schlange das Mädchen sogleich mit sich fort. – Weißrussisch bei Federowski, Lud białoruski 2, nr. 149: die Schlange wird entzaubert, sobald sie ins Zimmer des Mädchens gelangt; da dies bereits einem andern verlobt war, entflieht das Liebespaar und gerät in die Gewalt einer Hexe, die den Jüngling braten und verzehren will. Ebenda nr. 159 kriecht die Schlange aus einer


  1. In das verwandte Märchen vom Tierbräutigam, dem die neugierige Schwester nachts einen Tropfen Wachs von der Kerze auf die Schulter fallen läßt, lenkt das spanische Märchen von der Kröte über, der ein armer Fischer seine jüngste Tochter verspricht (Bibl. de las trad. pop. esp. 10, 139 nr. 10: ‘El sapito’).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_006.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)