Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 024.jpg

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– In einer dritten Fassung aus Zwehrn wird erzählt, daß Gespenster mit neun Knochen und einem Totenkopf kommen und den Jungen zum Spiel einladen, das er ohne Furcht annimmt, worin er aber all sein Geld verliert; um Mitternacht verschwindet der Spuk von selbst. Aus dieser ist auch genommen, daß die Leiche herbeigetragen wird, die er im Bett erwärmen will. Sie hat aber auch weiter keine Proben, und es fehlt der scherzhafte Schluß, der dagegen wieder in einer vierten, hessischen, wo der Junge ein Schneider ist, so vorkommt, daß die Frau Meisterin einen Eimer kalt Wasser über ihn gießt, als er im Bett liegt.

In einer fünften Erzählung wird die große Mannhaftigkeit einem jungen Tiroler zugeschrieben. Er berät sich mit seinem Vater, was für ein Handwerk ihm wohl am zuträglichsten sein würde, und entschließt sich endlich das Fürchten zu lernen. Ein neuer Zug darin ist, daß nachts ein Gespenst hereintritt, ganz mit Messern bedeckt, und den Tiroler niedersitzen heißt, um sich von ihm den Bart scheren zu lassen[1]. Er tuts ohne Furcht, und wie das Gespenst


  1. Die Sage vom gespenstischen Barbier begegnet bereits in Grimmelshausens Simplicissimus B. 6, cap. 16 (1669 S. 700), in den Unterredungen von dem Reiche der Geister 1, 289–304 (1730. Peter Juan Sckaliza im Schloß Malin in Böhmen mit zwei Prager Studenten; angeblich nach Martin von Cochem. Menzel, D. Dichtung 2, 168), in Denis’ Gedicht ‘Mutterlehren an einen reisenden Handwerksburschen’ (Göttinger Musenalmanach 1773, 17 = Romanzen der Deutschen 1774 1, 155: ‘Da kömmts als ein Barbier ins Zimmer, Und man erstarrt; Mein Urgroßvater sagt’ es immer, Ihm schors den Bart.’ P. v. Hofmann-Wellenhof, Denis 1881 S. 143), in Musäus Sage von der stummen Liebe (Vm. 4, 65–82. 1786. Verbunden mit dem Traum vom Schatz auf der Brücke; s. Zs. f. Volkskunde 19, 293). Ferner Zingerle, M. 1, nr. 17 ‘Der Krämer’. E. Meier nr. 46 ‘Der Klosterbarbier’. Pröhle, KVM nr. 72 ‘Die Barbiermühle’. Wegner, Geschichtsbl. f. Magdeburg 15, 67 nr. 72. Bartsch 1, 220 nr. 284 ‘Geist barbiert’. Baader, Volkssagen 1851 nr. 275 = Mones Anzeiger 1838, 365 ‘Der Graf zu Liebenstein’. – Dickens, Christmas stories 1, 293. C. Bede (E. Bradley), The white wife 1864 p. 43. Archivio 2, 380 nr. 18. Böhmisch bei Tille nr. 32. Litauisch in der Altpreuß. Monatsschrift 15, 450 nr. 29. – Das Gespenst wird erlöst, wenn ihm ein Furchtloser den Kopf rasiert: slovakisch Slovenské Pohl’ady 16, 211 nr. 14; polnisch świętek p. 481 (halber Bart); kleinrussisch Sadok Barącz p. 172 (Episode); litauisch Dowojna Sylwestrowicz 2, 262. – Das Gespenst rasiert den Furchtlosen und wird von ihm rasiert: slowenisch B. Krek S. 51 nr. 23; kroatisch Stojanović, Pučke pripov. p. 52 nr. 10. Krauß 1, 239 nr. 50; kleinrussisch Manžura p. 142; weißrussisch
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_024.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)