Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 044.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Da erschrak Joseph, und als Roland in der folgenden Nacht wachen will, bittet ihn Joseph, lieber zu schlafen und ihm die Wache zu überlassen. Da hört er wieder die Stimmen: ‘Wißt ihr was Neues?’ – ‘Neues genug, die Königstochter ist geraubt und sitzt im Schiffe; wer sie gedenkt zur Frau zu haben, der kann nur dazu gelangen, wenn einer da ist, der, wann der Bräutigam der Braut Gesundheit trinkt, ihm das Glas vor dem Munde wegschlägt, daß die Scherben herumfliegen. Wer das aber nachsagt, der steht in Stein bis ans Herz.’ Joseph wacht auch in der dritten Nacht, da hört er: ‘Der Bräutigam kann die Braut nicht erlangen, wenn nicht einer da ist, der dem Drachen die sieben Köpfe abschlägt, die dieser in der Brautnacht zum Fenster hineinsteckt. Wer das aber nachsagt, steht in Stein bis an den Kopf’. Folgenden Tags langen sie an, der König kommt ihnen mit seinen Leuten entgegen und bringt dem Joseph ein weißes Pferd mit, dem Roland ein schwarzes. Joseph besteigt das seinige und haut dem schwarzen den Kopf ab. Alle sind erstaunt und aufgebracht und fragen nach der Ursache, aber er antwortet: ‘Ich kann und darf es nicht sagen’. So schlägt er auch, als bei der Hochzeitsfeier Roland seiner Braut Gesundheit trinken will, diesem das Glas vor dem Munde weg, daß die Scherben fliegen. Endlich in der Nacht, als Roland und seine Braut schon schlafen, geht er mit gezogenem Schwert in der Kammer vor dem Fenster auf und ab. Plötzlich fängt es an zu brausen und zu brüllen, und ein Drache steckt seine sieben Köpfe herein. Er haut sie in einem Hieb herab, daß das Blut in die Stube spritzt und seine Stiefeln füllt. Die Wachen rufen bei dem Lärm den König; dieser kommt, und als er die Türe öffnet, strömt ihm das Blut entgegen, und er erblickt den Joseph mit gezücktem Schwert. ‘Ach was hast du getan, mein Sohn?’ ruft er aus. Da kann Joseph nicht anders, er erzählt alles und wird augenblicklich ganz in Stein verhüllt, sodaß man nichts von ihm sieht als sein Gesicht, das zu schlafen scheint. – Nach Verlauf eines Jahres bringt die junge Königin einen Sohn zur Welt, und da träumt ihr drei Nächte hintereinander, wenn man mit des Kindes Blut den Joseph bestriche, so würde er erlöst. Sie erzählt dem Roland ihren Traum, der läßt alle Räte des Landes zusammenkommen, die sprechen ja, er müsse sein Kind für des Freundes Leben opfern. Da wird das Kind getauft und dann wird ihm der Kopf abgehauen. Mit dem Blute des Kindes aber

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)