Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 086.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

A. Ein Witwer läßt sich durch seine Tochter überreden, wieder zu heiraten. – B. Dem guten Mädchen wird Schönheit nebst andren Wundergaben, dem bösen Häßlichkeit verliehen.[1]C. Der Bruder wird durch die Stiefmutter in ein Reh oder Schaf verwandelt[2] (C¹) oder er tritt in den Dienst eines Königs, dem er von seiner schönen Schwester erzählt (C²). – D. Die Schwester, die zur Gattin eines Königs erhoben ist, wird auf dem Wege zur Hochzeit (D¹) oder im Kindbett beseitigt (D²), ins Wasser gestürzt (D³) oder in einen Vogel oder Fisch verwandelt (D⁴), bisweilen von einer Meerfrau gefangen oder von einem Fische verschlungen (D⁵) und dafür ihre Stiefschwester untergeschoben[2]. – E. Der König läßt den Bruder in die Schlangengrube werfen und heiratet die untergeschobene Braut. – F. Lösung: 1. Gespräch der Geschwister, das ein Diener oder der König belauscht; 2. die Königin kehrt nachts in Tiergestalt wieder, um sich nach den Ihrigen zu erkundigen, und wird durch Enthauptung oder Zerhauen der Kette entzaubert; 3. die tote Königin kommt nachts aus dem Grabe, ihr Kind zu tränken. In F¹ und F² zeigen vielfach die Klagereden Versform. – G. Die Stiefmutter erleidet die Strafe, die sie sich unwissend zugesprochen hat. – Unsere Nr. 11 enthält die Motive C¹ D² F³ G, das hannöversche Bruchstück C¹ F¹˙², nr. 13 A B D²˙³ F² G, nr. 135 B C² D¹˙³ E F² G, nr. 141 C¹ D⁴ F¹.

Dänisch in Grundtvigs hsl. Register nr. 38 ‘De to kongebörn’. – Eine schwedische Fassung, die H. R. v. Schröter (vor 1822) in Upland aufzeichnete, ist viel dürftiger und ohne besondere Eigentümlichkeiten. Die ermordete Königin kommt in der Donnerstagnacht im weißen Kleid und mit einer langen rasselnden Kette. Zu ihrem Hündchen, das sich in die Küche verkrochen hat, sagt sie: ‘Hast du nichts zu essen?’ Da gibt ihr das Hündchen ein paar Bissen Brot. Sie fragt weiter: ‘Was macht mein kleines Kind?’ – ‘Das schläft’. – ‘Liegt der Hexe Tochter in meines Liebsten Arm?’ – ‘Nein’. Sie geht seufzend fort und kommt in der nächsten


  1. Vgl. dazu unten nr. 24.
  2. a b Vgl. Macculloch p. 150. – Eine Stiefmutter verwandelt den Sohn in einen Raben oder Wolf (Grundtvig, DFv. 2, 179 nr. 60. Arwidsson nr. 138), die Tochter in eine Hindin (Grundtvig 2, 158 nr. 56. Arwidsson nr. 136); vgl. Uhland, Schriften 3, 279. 379. – Öfter, z. B. in den unten angeführten slavischen Fassungen oder bei Rona-Sklarek 2, 82 nr. 7, verwandelt das Trinken aus einer Rehspur in ein Reh.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)