Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 102.jpg

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zerhaut Sigurd die Kette; die falsche Königin wird gesteinigt. – Französisch bei Luzel, Contes 3, 104 ‘Les danseurs de nuit et la femme métamorphosée en cane’ und Luzel, Lég. 2, 292 ‘L’oiseau bleu’ (B D²˙⁴ F². Der Graf zieht dem Vogel die Zaubernadel aus dem Kopfe). In der lothringischen Erzählung ‘La biche blanche’ bei Cosquin 1, 232 nr. 21 (D²˙⁴ F²) verlangt die untergeschobene Frau vom Fleische des Rehs zu essen, in das sie die Königin verwandelt hat; das tags vom Könige verfolgte Reh kommt nachts zum Schloß und fragt die Magd nach Gatten und Kind.[1] Dazu stimmt die etwas vollständigere wallonische Fassung ‘La belle et la laide’ bei Monseur S. 48 (B D²˙⁴ F³), nur daß zum Schluß ein alter Bettler dem Prinzen verrät, daß nachts das Reh zur Tür gekommen sei, sich vom Papagei den Schlüssel gefordert und das Kind in der Wiege gesäugt habe. – Das italienische Märchen bei Basile 3, 10 (B D) weicht im Verlaufe ab; die gute Schwester Cecella, der drei Feen einen goldenen Stern auf die Stirn[2] gesetzt haben, wird, als ein Herr um sie freit, von der Stiefmutter in ein Faß gesteckt; der Bräutigam erhält die häßliche Schwester Grannizia, kehrt aber zurück, entdeckt die wahre Braut im Fasse und steckt Grannizia dafür hinein;[3] die Mutter wirft das Faß in siedendes Wasser und tötet so unwissend die eigne Tochter. Bernoni nr. 19 ‘La putela dai quattro oci’ (eine Fee verleiht der guten, aber häßlichen Schwester Schönheit, zwei Augen statt vier, einen Stern auf die Stirn). Ähnlich sind Schneller nr. 8; Pitrè 2, 90 nr. 63 ‘La Mammadràa’; Gubernatis nr. 1 ‘La bella e la brutta’; vgl. R. Köhler 1, 345; Imbriani, Nov. fior.² nr. 13 ‘Il luccio’ und 14 ‘La bella e la brutta’. In der Erzählung aus den Abruzzen bei De Nino nr. 34 ‘I dodici mesi’ fehlt die böse Schwester; die zwölf Monate, denen die Heldin auf die Frage, was man von ihnen sage, freundlich Bescheid gibt, prophezeien ihr, daß sie den König heiraten soll; doch der März, den sie toll


  1. Anders motiviert ist die Verwandlung der Königstochter in eine Hindin in einem Märchen der Gräfin Aulnoy (nr. 18 ‘La biche au bois’ = Kletke 1, 317), nämlich durch das Verbot, sie vor dem 15. Jahre das Sonnenlicht sehen zu lassen; sie erhält die menschliche Gestalt, als ihr Liebster sie auf der Jagd verwundet.
  2. Über den Goldstern auf der Stirn als Sehönheitssymbol handelt Prato, Zs. f. Volksk. 5, 376. 6, 24.
  3. Vgl. Cosquin 1, 255 nr. 24 ‘La laide et la belle’ und Luzel, Contes 3, 115 ‘Les danseurs de nuit’ (B D². Auf der Fahrt zur Trauung warnen Hündchen und Vogel den Prinzen).
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)