Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 114.jpg

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erst frei, als sie ihre Namen zu nennen weiß). – Čechisch bei Erben in der Zs. Včela 1844 = Č. poh. nr. 1 = Waldau S. 278 ‘Die drei Spinnerinnen’ (wohl nach Grimm, vgl. Tille im Národopisný Věstnik 2, 89 und Č. poh. do r. 1848 S. 68) und Radostov² 1, 60 = ³ S. 561 nr. 63 (vgl. ZVk. 10, 386. Die erste Spinnerin hat so lange und spitze Zähne, daß der Mund wie eine Hechel aussieht, die zweite glotzende, hervorquellende Augen, die dritte Hände wie Schaufeln und Finger so dünn wie Fäden). In der mährischen Fassung bei Stránecká S. 25 treten statt der Spinnerinnen sieben häßliche schmierige Spinner bei der Hochzeit auf, die der hilfreiche Zwerg Tingltangl gesandt hat; hier ist das Märchen von Rumpelstilzchen mit eingemischt. – Wendisch bei Černý, Mythiske bytosće S. 176 (die ‘Todesgöttin von Spremberg’ hilft dreimal der Braut Werg und Flachs spinnen. Der Schluß fehlt). – Kleinrussisch aus dem Gouv. Jekaterinoslav bei Hrinčenko 1, nr. 112. Das Mädchen soll in drei Tagen drei Scheuern voll spinnen; dem ersten der drei Weiber hängt die Lippe bis auf die Brust, die zweite hat einen Fuß wie eine Schlange, die dritte eine Hand wie ein Fausthandschuh. – Im litauischen Märchen ‘vom faulen Mädchen’ bei Schleicher S. 12 sind die Helferinnen drei Laumes. – Das lettische bei Treuland nr. 123 hat einen Anhang: ein Jahr nach der Hochzeit kommen die drei Weiber wieder zur Frau, fordern ungemessenen Lohn und drohen, dem Herrn alles zu offenbaren; da führt die Frau sie in die Badestube und bringt sie dort um. – Eine finnische Fassung ‘The old woman’s loom’ wird bei Jones-Kropf p. 334 angeführt. Suomi 2, 12, 364. 3, 20, 304. Aarnes Register nr. 501. – Magyarisch bei Kriza nr. 4 = Jones-Kropf S. 46 nr. 10 ‘The lazy spinning girl’. Helfer ist wie in der mährischen Fassung ein Zwerg, dessen Namen die Braut erraten muß; bei der Hochzeit erscheinen drei Bettlerinnen.

Der Grundgedanke all dieser Fassungen ist, wie Polívka (Zs. f. Volkskunde 10, 383–396) dargelegt hat, daß drei häßliche Weiber, in denen J. Grimm[1] eine Nachwirkung der dem Volke tief eingeprägten Vorstellung von den drei Nornen vermutet, dem in Verlegenheit befindlichen Mädchen spinnen helfen unter der Bedingung,


  1. Grimm, Myth. ³ S. 387. 1215. und in Liebrechts Verdeutschung von Basiles Pentamerone 1, XVI. J. W. Wolf, Beiträge z. dtsch. Myth. 2, 201 (1857). Mansikka, Über russische Zauberformeln (Helsingfors 1909) S. 194–209.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)