Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 173.jpg

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der Versuch der Schwestern, sich durch Abhacken der Zehe oder der Ferse an die Stelle der Braut zu setzen, es fehlt auch das hilfreiche Eingreifen der toten Mutter und der Tiere. Vor 1705 flocht die Gräfin D’Aulnoy in ihre Novelle Ponce de Léon das Märchen ‘Finette Cendron’ ein, das, wie oben S. 124 bemerkt ward, den Eingang mit Hänsel und Gretel gemeinsam hat. Eine bretonische Erzählung bei Luzel, Contes 3, 134 ‘Le chat noir’ gehört nur zum Teil hierher[1]: in der Lieblingskuh der Yvonne, die ihre Stiefmutter (wie unten in nr. 130) schlachten läßt, finden sich zwei goldene Schuhe, die ihre Stiefschwester zur Hochzeit anziehen soll; aber ihr kleiner Hund läuft dem Wagen nach und verrät, daß die falsche Braut sich Zehen und Ferse abgeschnitten hat. Sébillot, Litt. orale p. 52 ‘Cendrouse’ (A¹ B¹ E). Sébillot, Revue des trad. pop. 9, 41 ‘Pondonette-Cendrillon’ (A¹ B¹ C¹ D¹˙² E) und 9, 45 ‘Cendrasson’ (A¹ B¹ C¹ D¹ E. Um 11 Uhr verschwinden die Prachtkleider und die Kutsche wie bei Winther und Bondeson). Meyrac p. 478 ‘Florine et Truitonne’. Dardy, Albret 2, 35 nr. 10 ‘Petite anguille’. Pineau, Contes p. 117 ‘La Cendrouse’ (A¹ C³ D¹ E. Heldin bittet den Vater, ihr eine Nuß mitzubringen; aus dieser kommen Kleider und Kutsche hervor)[2].

Rätoromanisch bei Decurtins, Chrestomathie 2, 125 nr. 100 = Singer 2, 16 ‘La Schenderletga sut il von’ (A¹ B¹ C¹ D¹ E). – Italienisch bei Basile 1, 6 ‘La gatta Cennerentola’ (A¹ B¹ C¹ D¹ E), wo die Heldin ihre erste Stiefmutter durch Zuschlagen der Truhe umbringt (vgl. oben S. 88¹), von der zweiten aber noch schlimmer behandelt wird; sie pflanzt eine Dattel, die ihr Vater aus Sardinien mitgebracht hat, ein, und erhält von dem Bäumchen Kleider, Wagen und Dienerschaft. Aus Toscana bei Imbriani 1877 p. 151 nr. 11 ‘La Cenerentola’ = Crane p. 42 nr. 9 (A¹ B¹ C¹ D¹ E), wo der Vater der Heldin den Vogel Verdeliò mitbringt; sie bittet ihn jedesmal:

‘Oh Uceelin Verdeliò,
Fammi più bella ch’ io non so’!’


  1. Miss Cox p. 507 hat mit dem übrigen Märchen eine Erzählung englischer Zigeuner ‘De little fox’ (Gipsy-lore Journal 3, 204 = Groome nr. 52) verglichen.
  2. Bei Sébillot, Contes 2, 178 nr. 31 ‘Cendrouse’, 2, 200 nr. 36 ‘La belle-mère’ und 2, 226 nr. 42 ‘La chèvre blanche’ finden wir nur die Motive A¹ und B¹, die böse Stiefmutter und die hilfreiche Fee, von der die Heldin ein Zauberstäbchen, Kleider, Kutsche, Schloß erhält.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)