Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 184.jpg

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1608 Bl. B 1b unter den wunderbarlichen Hausmärlein das ‘von dem verachten frommen Aschenpössel und seinen stolzen spöttischen Brüdern’. Auf dieses zielen schon Luther und seine Zeitgenossen, wenn sie Männer des alten Testaments wie Abel, Loth, Jakob, David als solche anfangs mißachteten jüngsten Brüder mit jenem Märchenhelden vergleichen. Luther, Tischreden 1, 11 ed. Förstemann: ‘Cain der gottlose Bösewicht ist ein gewaltiger Herr auf Erden, aber der fromme und gottfürchtige Abel muß der Aschebrüdel, nichts und ihm untertan sein.’ Kirchenpostille, Epist. 2. Sonntag nach Trin. (Werke, Erlanger Ausg. ² 9, 43): ‘der elende nichtige Aschenbrüdel Habel’. Predigten über 1. Mose 19 (Werke 33, 366): ‘das sie ihn (den Loth) nicht anders gehalten haben denn für einen Aschenbrödel.’ Werke 34, 71: ‘Jacob aber mußte der Aschenbrödel sein’. Agricola, Sprichwörter nr. 594: ‘Isaac verachtet Jacob und helt auff Esau und weiß nicht, das auß kindern, als Jacob war, der Aschenprodel, der mütter son, auch weise leut werden.’ Bei Val. Boltz, Oelung Davidis 1554 Bl. b 3a sagt Isai zu Samuel: ‘Was zichstu dich, du helger Man, Daß du eyn Äschengrüdel witt han?’ Luther, Das 5. 6. 7. Capitel Matthei 1532 (Werke 43, 40): ‘Gott will das Hertz rein haben, ob es gleich auswendig ein Asschenbrodel inn der Kuchen, schwarte, rustrig und bestoben ist.’ In Schweden gedenkt Verelius 1664 in den Anmerkungen zur Gautrekssaga cap. 9 S. 70 des Volksmärchens ‘huru Askefijsen fick konungs dottren till hustru’, das mithin von einem Jüngling handelte, der Küchenjunge war und die Königstochter erhielt. Das dänische Sprichwort ‘Esbern Askefiis overgaar baade Peder og Povel’ bei Peder Syv (Danske Ordsproge 1, 117. 1682) macht die älteren hochmütigen Brüder des Helden namhaft. – Solche Erzählungen von einem männlichen Aschenbrödel finden wir z. B. bei Zingerle 2, 395 ‘Der Aschentagger’, Haltrich nr. 24 ‘Das Rosenmädchen’ und 47 ‘Der Aschenputtel wird König’ und in den unten zu nr. 136 angeführten Goldener- oder Grindkopfmärchen. Dänisch bei Grundtvig 1884 S. 39 ‘Esben Askenpuster’, dazu R. Köhler 2, 465 ‘Prinzeß und Dummling im Redekampf’; norwegisch Asbjörnsen-Moe nr. 1 ‘Von Aschenbrödel, welcher die silbernen Enten, die Bettdecke und die goldne Harfe des Trollen stahl’, 4 ‘Die wortschlaue Prinzessin’, 6 ‘Aschenbrödel, der mit dem Trollen um die Wette aß’, 50 ‘Peter und Paul und Esben Aschenbrödel’, Haukenæs p. 113 ‘Askeladden’; schwedisch bei Bondeson, Sv. folksagor

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)