Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 231.jpg

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tragen das Mädchen zu einer Kapelle und zur Jungfrau Maria, wo die Brüder täglich zu den drei Mahlzeiten erscheinen; Maria heißt das Mädchen drei Jahre lang stumm sein und bringt zum Schluß, als es am Galgen steht, die drei Kinder und die zwölf Brüder herbei). Aus Tilsit bei Jurkschat 1, 99 nr. 46 ‘Die neun Raben’ (A D. Eingang wie bei Grimm; Hemden aus Brennnesseln). Richter in Veckenstedts Zs. f. Volkskunde 1, 235 ‘Der Rabe’ (A D. Ein Kraut belebt die getöteten Kinder). – Estnisch bei Kallas nr. 24 ‘Die kämpfenden Brüder’ (A B C D. Die Mutter verwünscht die drei zankenden Söhne nicht zu Tieren, sondern zu stetem Kampfe. Die Schwester kommt zum Herrn der Waldtiere und zu dem der Vögel und erhält ein rollendes Knäuel). – Finnisch in Aarnes Register nr. 451. – Ungarisch bei Sklarek 1, nr. 7 ‘Die sieben Wildgänse’ (A D. Die verleumdete Frau soll nicht getötet, sondern nur eingeschlossen werden). Mailand nr. 5 ‘Die zwölf gekrönten Schwäne und ihr Nesselhemden spinnendes Schwesterchen’. Berze Nagy nr. 28 ‘Die sieben Raben’ und nr. 29 ‘Die sieben Kraniche’.

Der Eingang des Märchens erinnert an das altdänische Lied vom Walraben, der von der Stiefmutter verflucht war, und dem die Schwester ihr kleines Kind gibt, durch dessen Augen- und Herzblut er seine menschliche Gestalt wieder erlangt (Grundtvig, Danmarks gamle Folkeviser nr. 60. Deutsch bei W. Grimm, Altdänische Heldenlieder 1811 S. 150 und Talvj, Charakteristik der Volkslieder 1840 S. 230). Im Gottscheer Liede ‘Zwei einige Söhne’ (Hauffen, Die Sprachinsel Gottschee 1895 nr. 67) verwünscht eine Mutter ihre beiden Söhne, weil sie die Messe versäumt haben, zu Raben. Im siebenbürgischen Märchen bei Haltrich nr. 43 verwünscht eine Königin ihren Sohn im Ärger zu einem Schweinchen, im čechischen bei Waldau S. 537 ein Vater seine fünf Söhne zu Nachtfaltern. – Dagegen ist es in unsrer nr. 93 ein Mädchen, das durch den Fluch der Mutter Rabengestalt erhält; und ebenso wird in einer schlesischen Erzählung (Zs. f. d. Myth. 1, 310) die Tochter zur Taube verwünscht und durch ihren Bruder auf die gleiche Weise wie in nr. 25 erlöst: er fragt bei Wind, Rabe und Sonne nach, passiert die gläserne Brücke und bringt ihr ein neues Hemde, dann muß er sie in der finstern Welt aufsuchen und eine Mandel Besen zu Asche kehren.

Wenn das Schwesterchen hier an das Weltende gelangt, so vergleiche man, was S. 4 zu dem Froschkönig aus dem Schottischen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_231.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)