Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 269.jpg

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123) erwähntes Märchen: Als der Jäger auf dem im Walde gefundenen Knochen bläst, ertönt das Lied, daß zwei Schwestern um zweier goldenen Äpfel und einer Silberschüssel willen sie erschlagen haben.

In einigen slawischen Märchen tritt eine besondere Einleitung auf. Drei Königssöhne wachen hintereinander nachts, um das Wildschwein zu erlegen, das des Vaters Garten verwüstet. Als dies dem jüngsten, einem Dummling, gelingt, ermorden ihn die andern beiden aus Neid. Aus seinem Grabe wächst ein Baum, an dem ein Hirt eine Geige hängen sieht. So kleinrussisch bei Sadok Barącz S. 146; aus Ostgalizien bei Rozdolśkyj nr. 55 (Etnograf. Zbirnyk 7, 104), Živaja Starina 5, 460 (Flöte, der jüngste Bruder heißt Popelennik, Aschenhocker); Bugiel S. 238 = Monseur, Bull. 2, 234, Zdziarski Garść baśni S. 5 nr. 2 (Pfeife aus Schilfrohr). Aus dem Chelmer Lande bei Kolberg, Chełmskie 2, 98 nr. 10 (der Mörder wird schließlich begnadigt. Zuerst 1835 gedruckt: Naśky ukrainsky kazky zaporoźća Iśka Matyrynky; s. Jahrbücher f. russ. Lit. 1, 114. 1859 und Bugiel S. 244). Entstellt ist eine ostgalizische Variante bei Bugiel S. 239, wo das Mädchen, das den Brüdern gebietet, den Hirse vor dem Eber zu hüten, von ihnen ermordet wird. Aus dem Gouv. Kiew bei Rudčenko 1, 156 nr. 55 (Pfeife aus Kuhpetersilie, Anthriscus silvestris); aus dem Gouv. Wolhynien ebd. 2, 159 nr. 56 (Pfeife aus Schneeball). – Weißrussisch bei Federowski 2, 336 nr. 393 (mehrere Jahre vergehen bis zur Entdeckung des Mordes). Weryho S. 17 nr. 3 (der Vater öffnet das Grab und besprengt den Sohn mit Lebenswasser). Aus dem Gouv. Mogilew bei Romanov 3, 264 nr. 45c (ein Sterbender sagt seinen drei Söhnen, wer von ihnen an seinem Grabe übernachte, werde den Goldeber fangen, der des Zaren Gerten verwüste). – Masurisch bei Töppen S. 139 ‘Der goldene Apfel’; die Hirtenflöte singt:

Spiele, liebe Flöte!
Ich habe einen Stein auf meinem Herzen,
Der älteste Bruder hat mich erschlagen,
Der zweite Bruder hat ihm dazu geraten,
Und ich habe dem Vater ein Schwein getötet.

Aus der Flöte kommt nach mehreren Verwandlungen der erschlagene Jüngling lebendig zum Vorschein. – Ähnlich beginnt das Zigeunermärchen bei Wlislocki, Volksdichtungen 1890 S. 255 ‘Der Chagrin

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)