Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 270.jpg

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und die drei Brüder’ mit der nächtlichen Lauer auf das dämonische Schwein, die dem jüngsten Hirtensohne gelingt; die Brüder erschlagen ihn, finden aber den Tod, als sie die ihm verheißenen Schätze holen wollten; die Weidenflöte belehrt den Vater, wie er den Ermordeten zum Leben erwecken kann. In einer kroatischen Ballade endlich bittet ein von ihrer Mutter verfluchtes Mädchen, Gott möge es zum Sperberbaum machen, die schwarzen Augen zur kühlen Quelle, die blonden Haare zur grünen Wiese; als ein Schafhirt sich aus dem Baume eine Flöte macht, meint die Mutter die Stimme ihrer Tochter zu hören (Andrić S. 93 nr. 62). In andern Fassungen (ebd. S. 448) erhängt sich das Mädchen, oder es will zum Baum werden, weil neun Bane sich seinetwegen bekriegen; oder es bittet in der Flöte, Gott möge es wieder beleben, damit es der alten Mutter Stütze sein könne. Auch bei Topalović S. 29.

Finnisch in Aarnes Register nr. 780. – Ungarisch bei De Gubernatis, Mythologie des plantes 2, 129 (drei Schwestern, Ahorn, Flöte). Nyelvör 4, 36 = Sklarek 1, 195 nr. 21 ‘Der Ahornbaum’ (wächst da, wo zwei Königstöchter ihre Schwester beim Erdbeerenlesen erschlugen. Ein Bettler macht sich eine Fiedel daraus, die singt:

Ich war eines Königs Tochter,
Aber jetzt bin ich aus Ahorn
Ein klein Geiglein.

Als die Mörderin die Geige fallen läßt, springt die Jungfrau daraus hervor). Erdélyi 3, 241 ‘Der Vogel Pelikan’.

Es fällt auf, daß von unserem Märchen aus Skandinavien und aus England keine Aufzeichnungen vorliegen, abgesehen von einer entstellten Erzählung aus Telemarken bei Grundtvig, DgFv. 3, 878b; dafür ist in diesen Ländern eine ergreifende Ballade von der sprechenden Harfe heimisch, über die R. Köhler (Aufsätze 1894 S. 79) ausführlich gehandelt hat. Zwei Königstöchter schreiten zum Meeresstrande, die jüngere klar wie die Sonne, die ältere schwarz wie die Erde und voll arger Gedanken. Da stößt diese die Schwester in die Flut hinab; vergeblich fleht die Ertrinkende um Hilfe und bietet ihr Goldband, ihre Goldkrone und selbst ihren Bräutigam.

‘Und nimmer helf ich zum Lande dir,
Dein junger Bräutigam wird doch mir,’

lautet die Antwort. Schiffer ziehen die Leiche ans Land. Ein Spielmann nimmt aus ihr das Brustbein zum Harfengestell, die Finger

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_270.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)