Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 279.jpg

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Also begab sich der Holzhacker auf die Reise zum Teufel und kam bald an eine große Stadt. Vor dem Tor fragte ihn der Wächter, was er für ein Handwerk verstehe und was er wisse. ‘Ich weiß alles’, antwortete er. ‘Wenn du alles weißt’, sagte der Torwächter, ‘so mach unsere Prinzessin gesund, die kein Arzt in der Welt kurieren kann!’ – ‘Wenn ich wiederkomme’. – In der zweiten Stadt wurde er auch gefragt, was er wisse. ‘Ich weiß alles.’ – ‘So sag uns, warum unser schöner Marktbrunnen vertrocknet ist!’ – ‘Wenn ich wiederkomme’, sagte der Holzhacker und ließ sich nicht aufhalten. Da kam er an einen Feigenbaum, der wollte verdorren, nebenbei stand ein Mann, der fragte ihn, was er wisse. ‘Ich weiß alles.’ – ‘So sag mir, warum der Feigenbaum welkt und keine Früchte trägt!’ – ‘Wenn ich wiederkomme.’ – Er ging weiter und kam zu einem Fischer, der mußte ihn überschiffen, der fragte ihn, was er wisse. ‘Ich weiß alles.’ – ‘So sag mir, wann werd ich einmal abgelöst werden und ein anderer die Leute überschiffen?’ – ‘Wenn ich wiederkomme.’

Nachdem der Holzhacker drüben war, kam er in die Hölle, da sahs schwarz und russig aus; der Teufel aber war nicht zu Haus, nur seine Frau saß da. Der Holzhacker sagte zu ihr: ‘Guten Tag, Frau Teufelin. Ich bin hierher gekommen und möchte die drei goldenen Haare haben, die euer Mann auf dem Kopfe trägt. Auch möcht ich wissen, warum eine Prinzessin nicht kann geheilt werden, warum ein tiefer Marktbrunnen ohne Wasser und ein Feigenbaum ohne Früchte ist und warum ein Schiffer nicht abgelöst wird’. Die Frau erschrak und sagte: ‘Wenn der Teufel kommt und findet dich hier, so frißt er dich gleich auf; die drei goldenen Haare kannst du nimmermehr kriegen. Weil du aber so jung noch bist, so dauerst du mich, und ich will sehen, ob ich dich erretten kann’. – Der Holzhacker mußte sich unter das Bett legen, und kaum hatte er ein Weilchen dort gelegen, da kam der Teufel nach Haus: ‘Guten Abend, Frau’ und fing an sich auszuziehen und sagte dann: ‘Wie ist mir in der Stube! Ich rieche, ich rieche Menschenfleisch, da muß ich einmal nachsehen’. – ‘Was wirst du wohl riechen’, sagte die Frau, ‘du hast den Schnupfen, und da steckt dir immer der Geruch von Menschenfleisch in der Nase. Wirf mir nicht alles untereinander! Ich habe eben erst gekehrt.’ – ‘Ich will nur still sein, ich bin müde heut Abend, aber du gönnst mir den Bissen nicht, den ich ins Maul stecke’.

Damit legte sich der Teufel ins Bett, und seine Frau mußte sich zu ihm legen. Bald schlief er ein, erst blies er, dann schnarchte er, anfangs sachte, dann so laut, daß die Fenster zitterten. Als die Frau sah, daß er so fest schlief, packte sie eins von den drei goldenen Haaren fest, riß es heraus und warf es dem Holzhacker unter das Bett. Der

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_279.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)