Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 314.jpg

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und schütt darnach ein Bett aus und walgert sich allenthalb in den Federn, daß er sah wie ein Hanfbutz (Vogelscheuche), und setzt sich also über die Gänseier und war gar still, daß er die jungen Gäns nit erschreckt. Wie Hanswurst also brütelt, so kommt die Mutter und klopft an die Thüren. Der Lawel sitzt über den Eiern und will keine Antwort geben. Sie klopft noch mehr, so schreit er gaga, gaga! und meint, dieweil er junge Gäns (oder Narren) brütelt, so könnt er auch kein ander Sprach. Zuletzt dräut ihm die Mutter so sehr, daß er aus dem Nest kroch und ihr auftat. Als sie ihn sah, da meint sie, es wär der lebendige Teufel, fragt, was das wäre; er sagt ihr alle Ding nach der Ordnung. Der Mutter wars Angst mit dem Tölpelnarren, denn die Braut sollt bald nachfolgen, und sagt zu ihm, sie wollts ihm gern verzeihen, er sollt sich nur jetzt züchtig halten, denn die Braut käme, daß er sie fein freundlich empfahen und grüßen sollte und die Augen also höflich und fleißig in sie werfen. Der Narr sagt ja, er wollts alles tun, wischt die Federn ab und tat sich wieder an, geht in den Stall und sticht den Schafen allen die Augen aus, stößt sie in Busen. Sobald die Braut kommt, so geht er ihr entgegen, wirft ihr die Augen alle, soviel er hat, ins Angesicht, meint, es müsse also sein. Die gut Jungfrau schämet sich, daß er sie also beschmutzt und verwüst hat, sah des Narren Grobheit, daß er zu allen Dingen verderbt war, zog wieder heim, sagt ihm ab. Also blieb er ein Narr nach wie vor und brütelt junge Gäns noch auf diesen Tag aus. Ich besorg aber, wenn sie ausschliefen werden, so sollten es wohl junge Narren sein. Gott behüt uns.

Die klugen Taten des gescheiten Hans werden bald in dieser, bald in jener Ordnung und Wendung, vermehrt und vermindert erzählt. In einer französischen Novellensammlung ‘Comptes du monde adventureux’ 1555 nr. 38 (2, 30 ed. Frank 1878; niederländisch bei Loockmans, 71 lustige Historien, Antw. 1589 nr. 40) und in ‘Le facétieux reveille-matin des esprits mélancholiques’ 1654 p. 101 sind noch zwei Schwänke vom geduldigen Hahnrei (Bebel, Facetiae 2, 66 und 1, 29) angehängt. Wir verfolgen hier nur die bezeichnendsten Motive:

A. Der Tölpel steckt die Nadel in einen Heuwagen statt in den Ärmel. Deutsch: Montanus, Gartengesellschaft nr. 4 (Schwankbücher 1899 S. 259). Zingerle 1², nr. 34. Haltrich ⁴ nr. 66 ‘Der törichte Hans’. Zs. f. dtsch. Mythol. 2, 386 (schlesisch).

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_314.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)