Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 337.jpg

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Es war ihr leider weh und bang,
Läuft eilend in den Keller nein,
Sagt: ‘Tochter, was soll doch dies sein,

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Daß du so lange bleibest aus

Im Keller mit dem Wein and Kraus?’
Die Tochter sagt: ‘Ach Mutter mein,
Ich sitz allhie in Gdanken fein.
Wenn es sich schickt und also käm,

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Das mich dieser mein Buhle nähm,

Als ich denn denk, das er tun wird,
Und uns würd denn ein Kind beschert,
Das hieß mich Muttr, dich Großemuhm,
Mein Vatern Großgenenn [Großvater], lauft rum

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Wohl in der Stuben auf und ab,

Darob es seine Kurzweil hab,
Und steckte denn ein Messerlein
Im Balken übr dem Häupte sein,
Das fiel denn abher auf das Kind

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Und tötet es bald und geschwind,

Wie wär doch das ein Herzeleid,
Ach, welch Jammer würd uns bereit!’
Die Mutter sprach: ‘Das ist ja wahr,
Du liebe Tochtr, ein groß Gefahr,

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Ein groß Herzleid, ein groß Elend,

Da sich all Freud in Trauer wendt.’
Und satzte sich also auch hin
Zur Tochtr, bedachtens baß im Sinn
Als lang auch, daß der Vater gleich

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Zu ihn hinuntr in Keller schleich,

Zu sehn, was doch die Ursach wär,
Daß sie wiedrumb nicht eilten sehr.
     Sein Frau ihm bald antworten thät,
Was sie jetzund besunnen hätt,

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Und sagt ihm auch, wie vor vermeldt:

‘Wenn dieser Buhl und schöner Held
Wird nehmen unser Töchterlein,
Wie ich dann denk, es werde sein,
Und sie zeugten ein Kindelein,

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Das hieß unsr Tochter Mutter fein,

Mich Großmutter, dich Großgenenn,
Also würd es uns all erkenn,
Das lief denn in der Stube umher

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_337.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)