Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 361.jpg

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Ein armer Mann empfängt als Entschädigung, Lohn oder Geschenk von einem mächtigen Wesen (dem Himmelspförtner Petrus, dem Teufel, Wind, Frost, Zwerg, Kranich, der Schlange u. a.) ein Gefäß, das Essen, und ein Tier, das Geld in unerschöpflicher Fülle spendet, wird aber von einem Gastwirte, Nachbar oder Fürsten mit List oder Gewalt deren beraubt; als er klagend zu dem Geber zurückkehrt, erhält er einen Sack, in dem ein Knüppel oder Knüppel tragende Männer stecken, und gewinnt mit dessen Hilfe sein Eigentum wieder. Die Zahl der Zaubergegenstände wechselt von 1 bis 4; als die ursprüngliche Form des Märchens möchte Aarne S. 76 die mit drei Gaben ansehen, deren Ursprung er in Südeuropa sucht; aus dieser Dreizahl der Gaben hat sich vielfach die der drei Empfänger entwickelt. Ob aber die Märchen mit zwei Zaubergaben wirklich, wie Aarne meint, erst aus dieser Form entstellt sind, erscheint angesichts der bis über das 6. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung zurückreichenden chinesischen Erzählung von den zwei Krügen sehr zweifelhaft. Einzeln werden solche Wunderdinge seit uralter Zeit erwähnt, wie das Ölkrüglein der Witwe von Zarpath, der sich selbst deckenden Tische in des Atheners Krates Komödie Θηρία (Athen. 6, 268. Kock, Comicorum Atticorum fragmenta 1, 133), der Gral, das Schlaraffenland usw., oder die Gold auswerfenden Tiere der indischen Erzählungen (Benfey, Pantschatantra 1, 379. Clouston 1, 88. Chauvin 5, 272), insonderheit die Wunschkuh (Kāmadhenu) Surabhi der indischen Mythologie (Tawney, Kathāsaritsāgara 1, 478 c. 50. Zs. d. morgenl. Ges. 61, 37. Mahabharata 1, 175. 9, 40). Auch der Sack, aus dem prügelnde Knechte herausspringen, wird im 14. Jahrhundert dem Albertus Magnus zu Köln beigelegt (Lodewyk van Velthem, Spiegel historiael 1717 p. 36 = Wolf, Dtsch. Märchen nr. 41). Vgl. über Wünscheldinge J. Grimm, Mythologie ³ S. 1227. 3, 264.


37. Daumesdick. 1856 S. 66.

1819 nr. 37 (statt 1812 nr. 37 ‘Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhütlein und dem Horn’, vgl. unten zu nr. 54): aus Mühlheim am Rhein. – Gehört in den Fabelkreis von des Schneiders Daumerling Wanderschaft (nr. 45); vgl. die dortigen Anmerkungen.


    Vgl. auch Macculloch p. 214.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_361.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)