Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 511.jpg

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sich mit dem Helden. Auch in den drei Vügelkens (nr. 96) ist die Gewinnung des Lebenswassers eingelegt; hier gewinnt es die Schwester und erlöst damit den versteinerten Bruder.

Unter den oben aufgezählten europäischen Fassungen ist wohl das dänische Gedicht von den drei englischen Königssöhnen Karl, Wilhelm und Artus die älteste; ob es etwa von P. J. Hegelund (1542–1614) herrührt, müßte noch untersucht werden; die isländische Prosa von 1691 und die schwedische von 1701 sind wohl daraus abgeleitet. Das holländische Vorbild, auf das die Titelworte ‘af hollandsk paa danske Rim udsat’ hinweisen, ist vorläufig unbekannt; merkwürdig aber stimmt in vielem dazu der niederländische, um 1250 von Penninc und Pieter Vostaert aus einem verlorenen französischen Gedicht übersetzte ‘Roman van Walewein’ (ed. Jonckbloet 1846–48; vgl. Histoire litt. de la France 30, 82 und Ker, Folk-lore 5, 121). Hier verlangt König Artus nicht nach einem Heilmittel, sondern nach einem kostbaren Schachbrett, das er in der Luft erblickt, und sein Neffe Walewein (oder Gawein) macht sich auf, es zu holen. Er dringt ins Wunderland, dessen König ihm das Schachbrett zu übergeben verheißt, wenn er ihm das Schwert ‘metten vremden ringen’ (in Chrestiens Perceval ‘l’espée aux estranges renges’) herbeischaffe. Der Besitzer dieses Schwertes, König Amoris auf Ravensten, aber verlangt, daß er ihm für diese Gabe Isabele, die schöne Tochter des indischen Königs Assentin, zuführe. Als Walewein mit Hilfe des in einen Fuchs verzauberten Prinzen Roges in das Schloß Assentins dringt, erkennt Isabele in ihm den von ihr im Traum erschauten Ritter und will mit ihm entfliehen, doch werden beide gefangen und erst durch den Geist des roten Ritters, der dem Helden für sein christliches Begräbnis Dank erweisen will, befreit. Wie nun Walewein seinem Eide getreu die geliebte Isabele dem Amoris übergeben will, ist dieser gestorben, und der Held kann daher freudenvoll mit der Jungfrau und dem Schachbrett, das er gegen das Wunderschwert eingetauscht hat, vor König Artus treten.

Wir treffen hier die eigentümliche Verweisung des Helden auf andre Kleinode, die er zwar zum Tausche für das gewünschte hingeben soll, aber schließlich behält, sowie den hilfreichen Fuchs und den dankbaren Toten, vermissen aber das Heilmittel für den Vater und die neidischen Brüder der neueren Märchen. Diese beiden Züge enthält ein Predigtmärlein, das der provenzalische Dominikaner Johannes Gobii Junior in seiner Scala celi

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 511. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_511.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)