Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 513.jpg

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einem andern Wege zurück, erhielt das Reich und nahm die Jungfrau zu seiner Gemahlin.

Die Vorstellung von einem Lebenswasser ist aus dem Zuge Alexanders zum Unsterblichkeitsquell bei Pseudokallisthenes und persischen Dichtern bekannt (Spiegel, Eranische Altertumskunde 1, 463. W. Hertz, Gesammelte Abhandlungen 1905 S. 49. 91. Wünsche, Die Sagen vom Lebensbaum und Lebenswasser 1905 S. 77, Wesselofsky, Iz istorii romana i pověsti 1, 229. 271); das christliche Mittelalter versetzte diesen Quell in das Paradies (Graf, Miti del medio evo 1892 1, 31); von dort hatte Medea, wie Konrad von Würzburg im Trojanerkrieg v. 10657 erzählt, das Wasser mitgenommen, mit dem sie Iasons Vater verjüngte: ‘ez was mit ir ze lande komen, in vazzen lieht von golde rôt’; dorthin sandte nach der Legende (Graf 1, 76. Wünsche S. 23) der sterbende Adam seinen Sohn Seth, um das Öl der Barmherzigkeit zu holen; und noch in viel späterer Zeit zogen Abenteurer auf die Suche nach dem ersehnten Jungbrunnen des irdischen Paradieses (Graf 1, 73. E. Schmidt, Charakteristiken ² 2, 68. Hopkins, Journal of the american oriental soc. 26, 1. 411).[1] Auf das biblische Paradies weist die Vorstellung von einem Lebensbaume (Wünsche S. 1. Graf 1, 25) und von belebenden Äpfeln (Hertz S. 386. Basset, Nouv. c. berbères p. 335); dort wohnte auch der Wundervogel Phönix, von dem das Altertum viel gefabelt hatte und der den Kirchenvätern als Symbol der Auferstehung und des ewigen Lebens galt (F. Schöll, Vom Vogel Phönix, Heidelberg 1890. Graf 1, 70. Lauchert, Geschichte des Physiologus 1889 S. 10. 112. 188. 212. Karnějev, Materialy po liter. istorii fiziologa S. 202), den unsre Märchenvarianten aber auch als einen Goldvogel oder als süß singende Nachtigall schildern; vgl. den Goldpfau im Jātaka 2, nr. 149; 4, nr. 491. Inwiefern die Erzählung der 1001 Nacht mit den mittelalterlichen Vorstufen unsres Märchens zusammenhängt, bleibe weiterer Nachforschung überlassen. Daß in griechischen, slavischen,


  1. Über die Märchen vom Lebenswasser s. Wünsche S. 90 = Zs. f. vgl. Litgesch. 13, 166 und Macculloch p. 52–79 ‘The water of life’. Auch in Günthers Kindermärchen 1787 S. 151 ‘Königin Wilowitte mit ihren zwei Töchtern’ und in den Weimarer Ammenmärchen 1, 93 nr. 3 ‘Trudchen’ (1791) kommt das Aufsuchen des Lebenswassers und heilbringender Feigen vor. In der Variante zum singenden Knochen (nr. 28) sollen die Söhne dem kranken König einen Bären oder ein Wildschwein lebendig fangen.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_513.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)