Seite:Großherzoglich Hessische AusfVO zur GewO 094.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Großherzoglich Hessisches Ministerium des Innern : Großherzoglich Hessische AusführungsVO zur GewO

Ausnahmen - und für die in den §§ 151 Abs. 2 und 154a G.O. bezeichneten gewerblichen Anlagen Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit Platz greifen, sind in diesen Betrieben bei der Beschäftigung von Arbeiterinnen außer den allgemeinen Bedingungen, an welche die Zulassung der Sonntagsarbeit geknüpft ist, auch noch die Vorschriften des § 137 G.O. und die auf Grund der §§ 139 und 139a dortselbst erlassenen Bestimmungen zu beachten.
Da in den vorstehend bezeichneten Betrieben die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen im allgemeinen verboten ist (§ 136 Abs. 1 G.O.) und Ausnahmen von diesem Verbot nur auf Grund der §§ 139 und 139a G.O. zugelassen werden können, so dürfen jugendliche Arbeiter in diesen Betrieben auch zu den nach den §§ 155-172 nachstehend zulässigen Sonntagsarbeiten nur insoweit herangezogen werden, als diese Beschäftigung auf Grund des § 139 und des § 139a G.O. an Sonn- und Festtagen ausdrücklich gestattet ist.
Hinsichtlich der Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern an Sonn- und Festtagen in Werkstätten mit Motorbetrieb und der Kleider- und Wäschekonfektion, in denen in der Regel weniger als 10 Arbeiter beschäftigt werden (§ 154 Abs. 3, 4 G.O.), sind neben der Verordnung vom 9. Juli 1900 (R.-G.-Bl. S. 565) die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Juli 1900 (R.-G.-Bl.S. 500) und die Verordnung vom 31. Mai 1897 (R.-G.-Bl. S. 459) in der Fassung der Verordnung vom 17. Februar 1904 (R.-G.-Bl. S. 62) zu beachten.

§ 155.

Ausnahmen kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 105c G.O.).Unter diejenigen Arbeiten, auf die das Verbot der Sonntagsarbeit kraft Gesetzes keine Anwendung findet, werden im § 105c G.O. an erster Stelle solche Arbeiten gerechnet, die in Notfällen oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen. Zu den „Arbeiten in Notfällen“ gehören solche Arbeiten, die zur Beseitigung eines Notstandes oder zur Abwendung einer Gefahr sofort vorgenommen werden müssen, ferner aber auch dringende Arbeiten, die durch Todesfälle, Erkrankungen, unvorhergesehene, erhebliche geschäftliche Zwischenfälle usw. erforderlich werden und nicht wohl auf den nachfolgenden Werktag verschoben werden können; dagegen kann nicht etwa schlechthin die Erledigung eiliger Arbeiten hierher gerechnet werden. Unter „öffentlichem Interesse“ ist nicht nur das Interesse des Staates oder der Gemeinde, sondern auch dasjenige des Publikums (z. B. Laternenanzünden) zu verstehen.
Die Befugnis, Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten, durch die der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebes bedingt ist, Arbeiten, von denen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebes abhängig ist, sowie solche Arbeiten vorzunehmen, die zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind, ist davon abhängig gemacht, daß die gemannten Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können (§ 105c Abs. 1 Ziff. 3, 4 G.O.). Die Möglichkeit ihrer Vornahme an Werktagen ist nach den Umständen des einzelnen Falles und den besonderen Verhältnissen der einzelnen Betriebe zu beurteilen. Die Befugnis zur Ausführung der bezeichneten Arbeiten wird für den einzelnen Gewerbetreibenden nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß andere Betriebe derselben Gattung, deren Einrichtungen indessen wesentlich verschieden sind, der Sonntagsarbeit nicht bedürfen. Wohl aber finden die Bestimmungen keine Anwendung, wenn und sobald es dem Gewerbetreibenden möglich ist, ohne erhebliche Unzuträglichkeiten für den Betrieb oder die Arbeiter und ohne unverhältnismäßige Opfer sich so einzurichten, daß er ohne Sonntagsarbeit auskommen kann.
Die Bestimmungen des § 105c G.O. finden auch auf solche Betriebe Anwendung, für die nach den §§ 105d bis 105f und 105h dortselbst besondere Ausnahmen zugelassen sind.