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bemerkt werden, daß im selben Maße, wie das lustige Leben der Armee sich verdichtete und schließlich zum Bacchanal ausartete, die Zahl der Verbrechen in der Stadt und auf dem flachen Lande in erschreckendem Maße zunahm; der ursächliche Zusammenhang ist wohl nicht schwer herzustellen.

Das Offizierskorps sah sich veranlaßt, so wenig als möglich in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Einerseits war es gewiß nicht angenehm, im Theater oder Kaffeehause neben einem mitunter bezechten, stets mehr als ungenierten Soldaten von urwüchsigsten Sitten zu sitzen, andererseits aber waren die Einnahmequellen vieler erheblich knapper geworden, denn die Soldatenkomitees, die viel ungereimtes Zeug zustande brachten, bewirkten doch auch einiges Gute, so beispielsweise eine sehr genaue Kontrolle über verausgabte Gelder …

Wenn in der vorhergehenden Periode die „Bourgeoisie“, die nun vollständig unten durch war, goldene Zeiten erlebt hatte, so blühte jetzt der Weizen des Arbeiters, der seine schwielige Faust nach den Gütern des Lebens ausstreckte und davon nach Möglichkeit zu erraffen suchte. Die Arbeitslöhne stiegen von Tag zu Tag, und gleichzeitig stipulierte das Proletariat den acht- und später den sechsstündigen Arbeitstag. Man schaltete die Arbeitgeber vollständig aus, ihre Funktionen übernahmen die Arbeiterräte der einzelnen Betriebe; die Prinzipale hatten schließlich nichts anderes zu tun, als die wachsenden Löhne zu zahlen und darüber nachzusinnen, wie sie diese herausarbeiten könnten. Im übrigen war ihre vollständige Erledigung nur eine Frage der Zeit, — alle Betriebe sollten natürlich kostenfrei an die Arbeiter übergehen, und das erforderliche Betriebskapital sollte in der Weise aufgebracht werden, daß man die besitzenden Klassen so lange und so weit besteuerte, bis sie sich in die besitzlosen verwandelt haben würden.

Daß es wirklich dazu gekommen wäre, unterliegt keinem

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)