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Wir bleiben im Korridor, der noch immer gestopft voll ist. Wir schlummern und schwitzen und jappen nach Luft, wie Fische, die aufs Trockene geraten sind.

Wenn der Zug hält, dann steigen die Herren Offiziere ein. Sie schimpfen und wettern, daß die verfl..... Zivilisten sich im Korridor herumstoßen, und sie hinterlassen, wenn sie gegangen sind, einen Duft von Juchten, Tabak und Schnaps. Es ist verwunderlich, wieviele Herren Offiziere auf der Eisenbahn herumkarren und wie stark sie nach Juchten, Tabak und Schnaps riechen.




Mai 1917.

„Ich brauche ein Billett nach Petersburg.“

Der Portier steht im Vollbewußtsein seiner Menschenwürde an der Tür. Der Portier hat die Kreuze und Medaillen abgelegt und sich mit roten Schleifen dekoriert. Er lehnt lässig an der Tür und liest sein maximalistisches Leibblatt. In seiner Haltung drückt sich das Vollbewußtsein seiner Würde als Mensch, Bürger und Portier aus.

Das Vollbewußtsein der Menschenwürde rührt daher, daß die Eisenbahner die Erhöhung ihrer Gehälter um 150 Prozent und den Achtstundentag durchgesetzt haben.

„Ich brauche ein Billett nach Petersburg, Genosse,“ sag ich.

„Belieben Sie sich, Genosse,“ erwidert er, „an die Kasse zu begeben.“

„Ich bin eilig, ich möchte nicht Queue stehen, die Herren Offiziere …“

„Die Herren Offiziere? Heutzutage gibt es, Gott sei Dank, keine Herren Offiziere, überhaupt keine Herren, sondern nur gleichberechtigte Bürger-Genossen. Die Offiziere haben zu warten, die Soldaten der freien revolutionären Armee gehen voran.“

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/111&oldid=- (Version vom 1.8.2018)