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Riga war mit einem Schlage wieder eine deutsche Stadt geworden; die zum Verbrechen gestempelte oder doch nur geduldete deutsche Rede konnte wieder frei erschallen, und sie erklang nun sogar aus dem Munde von Leuten, die noch vor einer halben Stunde den Deutschen Rache und Tod geschworen hatten.

Eine merkwürdige Gelenkigkeit entwickelten urplötzlich unsere wackeren Hausknechte, von denen die weitaus meisten die Streikhosen angezogen hatten, um auf dem Umwege einer auskömmlich geforderten Lohnerhöhung und entsprechenden Arbeitsverminderung ihre Menschenrechte zu wahren. Diese Herren, von denen nicht wenige sich am Pogrom aktiv oder als Wegweiser beteiligt hatten, griffen plötzlich wieder zu Besen und Schaufel und fegten die reichlichen Spuren der abgezogenen glorreichen revolutionären Armee sowie der zerstörenden Tätigkeit der vereinigten Marodeure vom Zivil und Militär fein säuberlich zusammen, worauf sie sich ein Pfeifchen ansteckten und mit den einquartierten deutschen Soldaten ein kleines Schwätzchen in den biderbsten Herzenstönen einer durch nichts zu erschütternden Freundschaft inszenierten. Freilich taten sie das eine wie das andere, d.h. das Straßenfegen wie auch das Schwatzen, soweit sie nicht durch andere Pflichten in Anspruch genommen worden waren. Die vornehmste Pflicht des Augenblicks bestand aber in der Einheimsung von Vorräten, die man aus den fiskalischen Packhäusern bezog.

Schon am Vormittage hatten die Sprengungen begonnen und währten bis etwa 6 Uhr, wo so ziemlich alles, was in Brand gesteckt und gesprengt werden konnte, vernichtet war. Den ganzen Tag hindurch lagerten über der Stadt schwere Rauchwolken und man sah ringsum die Flammen hoch auflodern. Die Vorratshäuser, die die russische Armee nicht hatte leeren können, brannten wie riesige Fanale. Von Zeit zu Zeit ertönten gewaltige Detonationen, die die Gebäude erschütterten und die Fensterscheiben in den benachbarten

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/148&oldid=- (Version vom 1.8.2018)