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weitere Beleuchtung sorgte der noch immer rote Glast der Feuersbrünste, der die Wände und Dächer der Gebäude mit einem magischen Schimmer übergoß.

Es soll nicht verschwiegen werden, daß an diesem Abend so manche gute Flasche geleert und so manche Festzigarre in Brand gesteckt wurde, und zwar nicht nur in deutschen Kreisen, sondern auch von Russen und Letten, die den Einzug der Deutschen, wenn vielleicht auch mit gemischten Gefühlen, so doch als die erwünschte Befreiung von der bedrohlich sich gestaltenden Zwingherrschaft des Pöbels begrüßten und nun nicht mehr um Leben und Habe zu bangen brauchten.

Man genoß nach all den Aufregungen und Erregungen des Tages den stillen Frieden des Abends, in den in der Ferne verhallend das Grollen des Kampfes hineinklang. Gegen Mitternacht veränderte sich freilich die Szenerie, der Wind, der bisher leise gegen Nord geblasen hatte, schlug plötzlich um und versteifte; es zogen Gewitterwolken auf, und bald begann es tüchtig zu regnen, — auch in dieser Beziehung bewährte sich die glänzende Organisation der deutschen Armee, — der Regen besorgte das Ablöschen der unzähligen Brandstätten, das unter anderen Umständen sehr viel Arbeit erfordert hätte.

Am nächsten Tage, Dienstag, den 4. September, strahlte die Sonne wieder heiter über der Stadt. Von allen den Schrecken des vorhergegangenen Tages war nichts mehr nachgeblieben als einige dünne Rauchwölkchen, die sich hier und da noch aufkräuselten und ein leichter Brandgeruch, der zeitweilig über die Stadt wehte; der Donner der krepierenden Granaten war verhallt, desgleichen die gewaltigen Schläge der Sprengungen. Man empfand nach dem Höllenlärm der letzten Tage und nach der ungeheuren Nervenanspannung die Stille doppelt wohlig. Man begrüßte die Abwesenheit der „Towarischtschi“, ihrer roten Fetzen, sowie

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)