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Verfassung befanden, in das vom Tatorte etwa drei Minuten entfernte Polizeirevier wiederholt telefoniert worden, und immer wieder wurde dienstfertig und höflich mitgeteilt, daß die Hilfe schon unterwegs sei, man möge sich in keiner Weise aufregen.

Wenn der Auftritt vor der Redaktion der „Petersburger Zeitung“ schließlich nichts weiter war, als ein Skandal in grandiosem Maßstabe, so ist das gewiß nicht das Verdienst der Polizei, sondern lediglich auf eine gewisse Zurückhaltung des Pöbels zurückzuführen, der offenbar noch nicht genügend in Zug gekommen war. Gelitten hatte bei der ganzen Affäre nur der Redaktionsportier, der aus seinem üblichen sonntäglichen Dämmerzustand durch einige Faustschläge dem Zustande der reinen Vernunft näher gebracht worden war und seither nicht verfehlte, bei passenden, zumeist jedoch unpassenden Gelegenheiten darauf hinzuweisen, daß sein Zustand die Anwendung von Spirituswaschungen gebieterisch erfordere.

Nach diesem Zwischenspiel erfolgte aber die Hauptaktion, die Zerstörung des Gebäudes der deutschen Botschaft, die von dem Volke von Petersburg im Beisein einiger Feuerwehrkommandos und der hohen Autoritäten der Stadt gründlich und ungehindert vollzogen wurde.

Die Redaktionsarbeit war trotz der verständlichen Erregung der Redakteure rascher erledigt als sonst, und wir konnten gleich nach 1 Uhr nachts das Lokal verlassen. Auf der Straße lagen noch die Fetzen und Glassplitter; die patriotische Menge hatte sogar ein paar Regenrohre verbogen und einige Fliesen der Treppe verrückt. Während der Redaktionsportier mir erzählte, daß er nur der Übermacht gewichen sei, und erklärte, sein ganzer innerer Mensch befinde sich in einem beklagenswerten „Schülperzustande“, schlenkerte der Herr Polizeimeister des Bezirks vorbei; der Gewaltige warf einen flüchtigen Blick auf die angerichteten Verwüstungen, und als er erfahren hatte, daß sich hier die

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)