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und nun setzte sich der Zug in Bewegung, die Berittenen voran, die „Verhafteten“ hinterdrein. Was Wunder, daß nach zehn Minuten die weitaus meisten von ihnen in verschiedenen Seitengassen verschwunden waren und schließlich nur noch etwa 15 oder 20 Menschen im Polizeirevier landeten.

Anfänglich hieß es, daß man eine überaus strenge Untersuchung einleiten werde, und es schien wirklich so als ob; doch einige Tage später wurde die ganze Angelegenheit niedergeschlagen, weil man den Verhafteten absolut keine Schuld nachweisen konnte. Man fand auch nicht die Schuldigen an der Ermordung des Dragomans Kadner, der in derselben Nacht im Botschaftsgebäude ermordet worden war. Das wäre allerdings schwierig gewesen, denn der bekanntgewordene ärztliche Befund gab an, daß der Dragoman schon vor mehreren Tagen getötet worden sei. An diesem famosen Befund änderte nichts eine in der „Petersburger Zeitung“ von den Freunden des Ermordeten veröffentlichte Todesanzeige, die Tag und Stunde genau angab, sowie eine Notiz, in der darauf hingewiesen wurde, daß der Dragoman um 7 Uhr abends des betreffenden Tages mit mehreren Freunden in einem bekannten Restaurant diniert hatte. Die Untersuchungsbehörde, der diese Mitteilungen keineswegs verborgen blieben, beachteten sie nicht weiter. Die Mörder waren eben unauffindbar, und die „Nowoje Wremja“ erklärte, daß der Dragoman vor der Abreise des deutschen Botschafters Grafen Pourtalès, auf das Geheiß dieses, ermordet worden sei, weil dem Manne „zu viele Geheimnisse“ bekannt gewesen seien!




Am nächsten Tage bildete das verstümmelte, rauchgeschwärzte und tintenbespritzte Gebäude der deutschen Botschaft das Ziel der Wallfahrt ganz Petersburgs. Zehntausende stauten sich im Laufe des Tages vor dem Gebäude,

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/28&oldid=- (Version vom 1.8.2018)