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ließ, worauf er dann nach einigen Tagen nach Petersburg transportiert wurde, um den dortigen Behörden übergeben zu werden. Die Reise ging unter Bedeckung von zwei finnländischen Konstablern vor sich, die zur Feier des Tages ihre Helme aufgesetzt hatten, sich aber trotz dieser höchst kriegerischen Aufmachung durchaus manierlich benahmen und sich um ihren Arrestanten herzlich wenig kümmerten.

Als der Zug gegen Abend in Petersburg anlangte, da sprach der Arrestant mit seinen Begleitern ein vernünftiges Wort, er wollte nämlich seine Petersburger Wohnung aufsuchen, um dort einige Anordnungen zu treffen. Die Finnländer gingen darauf ohne weiteres ein, und sie verzichteten sogar darauf, dem Arrestanten in die Wohnung zu folgen, weil sie sich unterdessen die ihnen fremde, sie höchlich interessierende Stadt ansehen wollten; nach einiger Zeit würden sie den Arrestanten abholen und ihn dann im russischen Gefängnis abliefern.

Die vereinbarte Frist war schon längst verstrichen, doch die Begleitmannschaft war noch immer nicht erschienen. Nachdem der Arrestant sich auf der Straße vergeblich nach ihr umgeschaut hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ruhig schlafen zu legen und die weitere Entwickelung der Dinge abzuwarten. Doch auch am anderen Tage wartete er vergeblich, statt dessen las er gegen Abend in der „Nowoja Wremja“ einen empörten Artikel über die Schlampigkeit der Militärverwaltung, die deutsche Kriegsgefangene in voller Uniform, mit der verhaßten Pickelhaube auf dem Kopfe, in Petersburg herumlaufen lasse. Nun ging dem wackeren Österreicher allmählich ein Talglicht auf: die dingfest gemachten „deutschen Kriegsgefangenen“ konnten nur seine finnländischen Konstabler sein, denn man konnte, wenn man einige Phantasie besaß, ihre Helme für die deutsche Pickelhaube hinnehmen. Die armen Kerle hatten in der Tat sich verhaften lassen müssen, weil sie kein Sterbenswort russisch verstanden und sich daher gegen den gegen sie erhobenen

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)