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gemeinen Mann den Ersatz für das verlorene Paradies des fiskalischen Branntweinrausches. Man suchte vor allen Dingen den Bitterstoff zu entfernen, oder doch zum mindesten zu verdecken, zu welchem Behufe man sich zum Teil ganz scharfsinniger Methoden bediente. Freilich erblindeten nicht wenige Liebhaber dieses schrecklichen Gesöffs, und nicht Wenige verblichen eines jähen und unschönen Todes, doch das alles konnte die guten Leute nicht abhalten, sich dem Genusse des starken Trankes hinzugeben. Auch die Strafen, die Leuten, die sich betrunken hatten, drohten, verschlugen nur wenig, die Säufer waren froh, daß sie unter Dach und Fach ausschlafen konnten und daß man sie, wenn ihr Zustand gefahrdrohend erschien, ärztlich behandelte.

Großer Beliebtheit, namentlich bei Soldaten, erfreute sich Kölnisches Wasser, das in ungeheuren Massen gekauft und getrunken wurde, wenngleich der Preis hierfür bald auf Zwölf Rubel pro Pfund stieg.

Die Herren Offiziere hatten es freilich besser, denn auf die eine oder andere Art erhielten sie während des ganzen Krieges Spirituosen in mehr als ausreichenden Quantitäten. Zumeist wurde Spiritus aus Feldlazaretten bezogen, mitunter zum Schaden der Verwundeten, aber dieserhalb ließ man sich keine grauen haare wachsen.

Wenn sowohl die zarische als auch die revolutionäre Regierung stets darauf bedacht gewesen ist, den Alkohol von der Armee fernzuhalten und ihn an gewissen Punkten zu vernichten, so wußten die Herren von der Regierung nur zu gut, was sie taten, sie kannten eben ihre Pappenheimer ganz genau. Man weiß, welche verhängnisvolle Rolle der deutsche Branntwein bei der „Verbrüderung“ der russischen Soldaten mit deutschen Truppen gespielt hat. Man weiß ferner, daß so mancher gelungene Angriff doch zu keinem positiven Ergebnis führen konnte, weil die Soldaten sich an den vorgefundenen deutschen Alkoholvorräten sinnlos berauschten.

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)