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Zwischenspiele

Wie jede Medaille, so hat auch der Krieg eine Kehrseite, wenigstens in Rußland, wo ein Krieg von jeher nicht nur auf dem Kothurn einherschreitet, sondern stets und immerdar reichlich mit Ereignissen heiteren und sogar sehr heiteren Charakters durchsetzt ist. So auch der Weltkrieg, von dem man wahrlich annehmen dürfte, daß er in seiner grausigen Gestaltung keinen Platz für heitere Zwischenfälle übrig lassen würde.

Schon Leo Tolstoi sagt in seinem „Krieg und Frieden“, daß ein russisches Hauptquartier stets glänzend und geräuschvoll sein müsse. Ich habe nun freilich keine Gelegenheit gehabt, während des Krieges einen Blick in die „Zarskaja Stawka“, d. h. das Große Hauptquartier, zu werfen, aber ich habe um so gründlicher das Treiben im Hauptquartier der XII. Armee, Riga, beobachten können, und ich muß gestehen, daß es hier so glänzend und geräuschvoll herging, daß das jeweilige kaiserliche Hauptquartier die Dünastadt höchstens in Bezug auf Glanz der agierenden Persönlichkeiten überboten haben mag.

Wenn die Nachfahren die während des Krieges in Riga herrschenden Zustände nach den in überreicher Fülle erlassenen amtlichen Vorschriften beurteilen sollten, dann würden sie freilich den Eindruck gewinnen, als ob Riga während des Krieges so etwas wie ein Trappistenkloster strenger Observanz gewesen sei, denn diese Vorschriften waren allesamt darauf gerichtet, einen in Worten und Werken züchtigen Lebenswandel nicht nur der Armee, sondern auch der Zivilbevölkerung

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)