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zweiten Katharina fraglos eine außerordentlich gute Figur gemacht haben würde. Doch es ist nicht meine Aufgabe, mich über die militärischen Fähigkeiten dieses Grandseigneurs von echt russischer Prägung auszulassen.

Fest steht, daß die von diesem General verfügten und vom Polizeimeister minutiös ausgeführten Verfügungen mit dem Augenblick erheblich gelockert wurden, als das Hauptquartier aus Wenden nach Riga verlegt worden war. General Beljajew hätte sich in der Tat in dem Trappistenkloster kaum wohl gefühlt, denn er war ein feiner und genußfreudiger Kenner und Verehrer des Schönen und Angenehmen in seinen mannigfachsten Gestalten. So liebte er beispielsweise guten Kaffee, den er in einem der eleganten Kaffeehäuser der Stadt einnahm. Man könnte über diese von nicht wenigen geteilte Liebhaberei mit Schweigen hinweggehen, wenn die Neigung des allmächtigen Stabschefs für guten Kaffee nicht auch anderen zugute gekommen wäre. Das geschah in der Weise, daß man in diesem Kaffeehause nicht nur süßen Kaffee, sondern auch Torten und ähnliche Leckereien erhalten konnte, während man sonst in der Stadt Zucker nur mit einer Laterne auftreiben konnte, deren Scheiben aus einigen Hundertrubelscheinen bestehen mußten. Das Backen von Kuchen war schon längst untersagt worden, weil es eben nicht angängig war, daß die einen, die wenigen, schlemmten, während die anderen, die vielen, kaum das tägliche Brot hatten. Wer nun Geld genug in seinen Beutel tun konnte, dem war es nicht verwehrt, jenes Kaffeehaus zu besuchen, dort an dem seigneuralen Gehaben des von lieblichen Mundschenkinnen — auch solche gab es dort —, bedienten Generals sich zu erbauen, und die eben aufgezählten guten und seltenen, also auch danach bewerteten Dinge sich einzuverleiben.

General Beljajew liebte aber nicht nur guten Kaffee in der erforderlichen verfeinerten Aufmachung, sondern er war auch ein Freund der Kunst Terpsichorens und als solcher der Freund des Theaterdirektors Angarow, den er alsbald

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)