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zu kompromittieren, und verdiente nicht weniger, als die eben genannten legendären Spitzbuben.

Und wie man verdiente! Die Milliarden, die der Krieg kostete, mußten doch irgendwo bleiben, und es war nur zu natürlich, daß das schöne Geld in die Hände gelangte, die damit umzugehen verstehen. Einiges blieb ja freilich hier und dort kleben, aber das meiste wurde doch seiner sozusagen natürlichen Bestimmung zugeführt.

Ja, man verdiente viel Geld, entsetzlich viel Geld! Wer offene Augen, einen offenen Kopf und greifsichere Hände hatte, konnte über Nacht zum Millionär werden. Die Millionäre schossen wie die Pilze aus der Erde. Man brauchte sich nur an eine der blitzschnell auftauchenden Konjunkturen zu hängen und sie wieder beizeiten loszulassen, um sich an die nächste zu klammern. Heute waren es Rotholzmöbel, morgen Dauerbutter, übermorgen Zucker, überübermorgen Barchentunterjacken, die Reichtum brachten. Man machte in Häusern, Schiffen, Juwelen, Konservenbüchsen, Fabrikationsrückständen, Tabak und schließlich in allem, was verkauft und gekauft wird. Es war eine Lust zu leben, für den, der eine Konjunktur zur rechten Zeit erkannte und sie zur rechten Zeit wieder fahren ließ!

Was Wunder, daß der verbotene Sekt in Strömen floß, daß die Goldschmiede, Luxuswaren- und Juwelenhändler Bombengeschäfte machten und die Delikatessenhandlungen gar nicht Waren genug herbeischaffen konnten, um der enormen Nachfrage genügen zu können. Man zahlte für Blumenarrangements, die man befreundeten Damen darbrachte, Hunderte von Rubeln; man erlegte, ohne mit der Wimper zu zucken, für eine Birne zehn Rubel und für eine Flasche Portwein 75. Man sah Offiziere und Militärbeamte Luxuswäsche für Hunderte und Tausende von Rubeln kaufen.

Die Juwelenhändler aber feierten wahre Feste; wenn sie auch die Preise ins Ungemessene steigerten, so kaufte man doch, denn man wollte nicht nur freies Geld anlegen, sondern

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/95&oldid=- (Version vom 1.8.2018)