Seite:Gumppenberg Dichterross 0107.png

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– Als ich erwachte, seufzte tief das Meer
Und stierte nach dem Mond. Bei mir im Boot
     Saß bockstarrsteif der Tapergreis,
     Doch silbern jetzt, mit einem Silberhelm

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     Auf seinem Haupt – der Möven wegen?


Ich griff nach ihm, und griff in leere Luft ..
     Doch hatt’ es abgefärbt,
Denn meine Hand, sie war versilbert
     Wie eine Weihnachtsflitternuß.

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Ich sprach: Du bist so silberkalt,

In Silberadern rinnt dein Silberblut
Und keiner Möve gibst du Nahrung mehr –
     Im Silbermondlicht wohnst du hier,
Du Silberner, und hast nichts, hoffst nichts, willst nichts

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 Als nur dein Silber!


     Er sprach: Du bist so schauderhaft,
     So göttlich scheußlich und abscheulich,
     Ganz ekliche Geburtswehn nur – dein Antlitz
Zerschmettert und verkohlt von Gier und Wahnsinn –

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     Du wohnst in Abendlandschaft, überschüttet

     Von schmutzigem Schotter und von Riesenspinnen.
     Von Regenwürmern und von Kellerasseln –
     Du bist verrückt, du Göttlicher – du lebst!
 Versilbert mußt du werden!

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– Und zärtlich ward der Greisgeist, fiel mir jäh

Auf meine Brust, und färbte mir die Nase
Mit Silberküssen, und ich fühlte hart
Den Silberhelm die Stirne mir halbieren.


nach Alfred Mombert

Empfohlene Zitierweise:
Hanns von Gumppenberg: Das teutsche Dichterroß. Callwey Verlag, München 1929, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gumppenberg_Dichterross_0107.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)