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Gesetz zur stärksten Partei Deutschlands geworden. Grund genug für uns zur Freude.

Neben der allgemeinen Freude hatten wir in unserm Wahlkreise insofern noch die besondere, daß sich unsere Stimmenzahl nahezu vervierfacht hatte, von 621 im Jahr 1887 auf 2415 gestiegen war und der Wahlkreis in der Stichwahl mit unserer Hilfe für die Opposition zurückerobert wurde. Der Volksparteiler wurde wieder gewählt.

Weiter brachte uns dieser Wahlkampf eine erkleckliche Anzahl direkter Anhänger, zahlende Parteigenossen, die wir angesichts der vermehrten Ausgaben für Agitation notwendig brauchen konnten.

Aber noch einen weiteren Erfolg zeitigte diese Reichstagswahl: den Sturz des „genialen eisernen“ Kanzlers Bismarck. Wenige Monate nach der Wahl hatte der Gewaltmensch aufgehört, in Deutschland die erste Geige zu spielen. Er war zum einfachen Privatmann degradiert.

Ihm folgte einige Monate später sein ureigentstes Machwerk, das Schandgesetz, das zwar unsägliches Elend, viele Not und Sorgen, durch Ausweisungen, auf Grund des Belagerungszustandes, über eine große Anzahl unserer Parteigenossen und deren Familien brachte, der Partei als solcher aber nicht nur nicht geschadet, sondern nur genützt hat.

Den Fall dieses Gesetzes, das für immer einen Schandfleck in der deutschen Geschichte bildet, feierten wir auch hier in gebührender Weise.

Nun hatten wir wieder Ellenbogenfreiheit, nachdem die Zwangsjacke gefallen und nützten dieselbe auch bestens aus. Ueberall wurden Volksversammlungen abgehalten und

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)