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ländlichen Bezirk auf über 400 Stimmen brachte, ein weiteres Zeichen, daß es vorwärts ging trotz alledem.

Der Parteitag in Halle, der erste, der in Deutschland während der Dauer des Ausnahmegesetzes wieder stattfand, wurde auch unsererseits zum erstenmal durch einen Delegierten beschickt.

Nach dem Fall des Ausnahmegesetzes begannen unsere Gegner den Kampf mit „geistigen Waffen“ gegen uns. Dieser Kampf bestand aber in der Hauptsache darin, daß man uns die Versammlungslokale abzutreiben suchte. Schultheiß, Pfarrer und Lehrer waren bei dieser Tätigkeit ein Herz und eine Seele, während im allgemeinen die Eintracht dieses dreiblätterigen Kleeblatts darin bestand, daß die Herren Pfarrer und Schultheißen den Lehrer schuhriegelten, wo sie nur konnten, während sie selbst gegenseitig um die Oberherrschaft im Dorf kämpften und stritten.

Wo es diesen edlen Seelen infolge von Lokalabtreibung nicht gelang, uns von ihrer Domäne fernzuhalten, rückten gelegentlich alle drei in unserer Versammlung an, um den Kampf in anderer Weise zu führen.

Wir freuten uns immer beim Erscheinen dieser Kapazitäten im voraus, wußten wir doch aus Erfahrung, daß nun unsere Versammlung interessant würde. Gewöhnlich wurde der Lehrer vorgeschickt, er mußte Bresche schießen, dann folgte der Pfarrer und zuletzt der Herr Schultheiß. Alle drei hatten keinen blauen Dunst von Sozialismus, von den sozialdemokratischen Forderungen. Es war uns ein leichtes, ihre Ausführungen zu widerlegen.

Der Lehrer wurde dahin belehrt, daß die Sozialdemokratie ja hauptsächlich auch für ihn,

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)