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Im Herbst 1894 war der damalige Vorsitzende des Landesvorstands im Auftrag desselben hier, um unseren Gemeinderat zu ersuchen, nicht nur die Kandidatur für die Stadt wieder zu übernehmen, sondern auch diejenige für das Oberamt Neckarsulm. Beides wurde, obgleich durch Annahme letzterer Kandidatur ein bedeutendes Stück Arbeit in Aussicht stand, zugesagt und damit schien die Kandidatenfrage für diese Bezirke erledigt.

Leider bestanden hier wieder Differenzen, d. h. sie hatten seit der sogenannten Jungenbewegung nicht aufgehört, zu bestehen. Ein kleiner Rest dieser Genossen war einfach unheilbar, neigte mehr zum Anarchismus, als zur Sozialdemokratie und benutzte jede Gelegenheit zum frondieren gegen die führenden Parteigenossen.

Eine solche Gelegenheit mußte die 1894 stattfindende Gewerbegerichtswahl abgeben. Die Partei hatte aus taktischen Gründen fast einstimmig beschlossen, eine sogenannte kombinierte Liste aufzustellen, d. h. die Namen von ganzen zwei Personen, die weder der Partei noch den Gewerkschaften angehörten, aus nächster Umgebung mit auf die Liste zu nehmen, wogegen diese „Radikalen“ in der Parteiversammlung Protest erhoben, jedoch ohne Erfolg.

Statt sich nun als Demokraten der überwiegenden Majorität zu fügen, beriefen sie in letzter Stunde vor der Wahl eine Versammlung ein, in der sie eine sogenannte reine Liste aufstellten, um am Wahltag mit dieser Liste die Partei aufs Gehässigste zu bekämpfen.

Erfolg hatten sie allerdings nur insofern, als der Krach wieder saß, stärker denn je, sonst aber die Liste der Partei glatt durchging.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/118&oldid=- (Version vom 1.8.2018)