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In wenigen Minuten war die „Rose“ vollständig leer. Nun gings wieder hinaus auf den Marktplatz, der sich mittlerweile bedeutend gelichtet hatte. Das Spritzen war eingestellt, aber einzelne größere Trupps waren immer noch vorhanden, an die wir uns nun wandten, um sie durch gütliches und vernünftiges Zureden zum Verlassen des Platzes und zum Nachhausegehen zu bewegen.

Während dieser Arbeit, die auch fast durchweg von Erfolg war, hörten wir dann und wann von entfernteren Trupps wiederholte Hochrufe, die uns schnell, wie der Satan, zu der betreffenden Stelle brachten. Und wen fanden wir da? Eine Anzahl Bourgeoissöhnchen, die goldene Jugend von Heilbronn, waren diese Schreier. Ihre Absicht war klar, sie wollten den Skandal so lange weiter führen, bis das Militär erschien, wo sie dann verduftet wären, ihre Haut gerettet hätten, während unsere Anhänger die Zielscheibe für das Kleinkalibrige abgeben sollten. Wir kamen ihnen nicht schlecht auf den Kopf, sagte ihnen ihre Absicht geradezu ins Gesicht, dabei ihre Schuftigkeit und Gewissenlosigkeit kräftig betonend, was sie veranlaßte, schleunigst zu verduften.

Als bald darauf das Militär anrückte, gab es für dasselbe tatsächlich nichts mehr zu tun. Die Schußwaffe konnte nicht in Anwendung gebracht werden und die Vaterlandsverteidiger hätten ruhig in die Kaserne zurückkehren können. Da sie aber ausmarschiert waren, wurden sie unnützerweise zum patrouillieren durch die Straßen verwendet, wo sie ohnedies auf dem Heimweg begriffene Bürger mit Bajonett und Gewehrkolben zur Beschleunigung ihrer Schritte zwangen, eine

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)