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wir wieder die saubere Bescherung, die nahm uns vor dem anderen Morgen kein Mensch ab.

Er entschuldigte sich recht und gab mir als Entschädigung eine Prise, die ich auch sofort schnupfte. Dann kletterte ich auf unsern Tisch, um meine Nase dem Fenster zu nähern, aber o weh! Ich mußte meinen neuen Standort sofort wieder verlassen, weil bekanntlich die Düfte sich zuerst nach oben ziehen, es deshalb hier oben einfach nicht zum Aushalten war.

Seitdem weiß ich aber auch, warum alle Arrestanten Schnupfer sind, weniger deshalb, weil dies der einzige erlaubte Tabaksgenuß an diesem Orte ist, sondern mehr deshalb, weil es das einzige Mittel ist, um der Nase von Zeit zu Zeit einen anderen Geruch zuzuführen. Dem Zwang gehorchend, nicht dem eigenen Triebe wurde ich zum Schnupfer, zum Leidwesen meiner lieben Frau, die trotz ihrer Liebenswürdigkeit meine Taschentücher eben heute noch nicht gerne wascht.

Eine gute Stunde nach meiner Einkapselung rasselten wieder Riegel und Schlösser unseres Allerweltsraums und unser nächster Wächter und Beschützer erschien in Begleitung einiger andern, die Strohsack, Kopfpolster, Leintücher und Teppiche herbeischleppten, alles für mich bestimmt.

Mein erstes Wort an ihn war, „haben sie denn keine andere Zelle für mich, keine, wo ich allein sein kann, hier stinkt es ja entsetzlich, da kann es ja kein Mensch aushalten“, so sprudelte ich heraus.

Achselzuckend meinte er, „es ist jetzt alles besetzt, später vielleicht“.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)