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In den 4 Wochen, die ich hier noch zu verbringen hatte, lag ich beständig im Kampf mit diesen Viechern. Wenn ich meine Lagerstatt, natürlich ohne Holzgestell, das auf dem Fußboden befestigt war, in die Mitte der Zelle machte, so marschierten sie auf dem Fußboden daher und erkletterten dieselbe, oder aber sie marschierten an der Decke bis sie sich über mir befanden, und ließen sich dann auf mich herabfallen, wie ich selbst beobachtete. Sogar in meine Bücher hatten sich die hoffnungsvollen Sprößlinge, die immer frecher sind wie die Alten, eingenistet und spazierten, während ich las, ungeniert auf den Blättern herum, bis ihnen das Lebenslicht ausgeblasen wurde.

Ein Glück für mich war die gute Lektüre, die mir Isak beschaffte. Nachdem ich die Werke von Kolb und Schlosser gelesen, schickte er mir die „Kulturgeschichte der Menschheit“ von Buckle,[ws 1] ein Werk, das geistig die beiden andern weit überragt und dem ich viel verdanke. Stundenlang saß ich über dem Buch, kein Laut war hörbar und wenn dann der Schlüsselbund rasselte und unser Koch oder Christian mit seinem Unterfax erschien, so hätte ich sie am liebsten hinausgeworfen, denn es war mir jede Störung zuwider.

Mit dem Unterfax muß ich mich etwas näher beschäftigen, er verdient es. Er war ein kleiner schwarzer lebhafter Mann, anfangs Vierzig, gelernter Buchbinder, der richtige alte Kunde, der seine Zeit teils auf der Landstraße, in der Penne, der Herberge und in den Gefängnissen verbringt.

Hier hatte er 6 Wochen Haft abzusitzen wegen Führung einer falschen Fleppe, eines falschen Passes oder Wanderbuchs, das er, wie er vor Gericht

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Henry Thomas Buckle (1821–1862)
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)