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dem Herrn Landgerichtsrat. Das hatte zur Folge, daß er versprach, mich morgen vorführen zu lassen.

Höchst ungnädig wurde ich nach meiner erzwungenen Vorführung von Kegelmaier empfangen. „Was ich eigentlich wolle, ob ich etwas Neues anzugeben hätte“, schnaubte er mich an.

Ich erklärte, „ich habe Frau und Kinder zu Hause, deren einziger Ernährer ich bin, die brauchen Brot und ich wünsche freigelassen zu werden, kann überhaupt nicht einsehen, daß man mich rechtlich noch in Haft hält, nachdem die Voruntersuchung, wie mir scheint, geschlossen, denn ich habe tatsächlich nichts mehr anzugeben.“

Er entgegnete mit Schärfe: „Daß Sie noch nicht auf freiem Fuß sind, ist nicht meine Schuld, das wissen Sie, auch hängt die Sache mit Stuttgart zusammen, da dort das Blatt gedruckt wurde, das verzögert sie auch, Sie müssen sich eben noch etwas gedulden, ich kann es nicht ändern.“

Mit diesem Kanzleitrost, mit dieser faulen Ausrede mußte ich abziehen, ohne daß auch nur ein Wort protokolliert wurde, ein weiterer Beweis dafür, daß die Voruntersuchung tatsächlich geschlossen war.

Die Galle wollte mir wieder steigen, doch war ich zu meinem Glück auf dem philosophischen Standpunkt angelangt „was man nicht ändern kann, nimmt man geduldig an.“ Ich hatte einsehen gelernt, daß ich durch Aufregung nichts ändere, dagegen mir nur selbst schade.

Der letzte Rest von Achtung vor unserer Justiz ging flöten. Der Glaube an die Gerechtigkeit und Unabhängigkeit unserer Richter ging bei mir damals schon zum Teufel.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)