Seite:Gustav Kittler Erinnerungen 1910.pdf/58

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Paket gehöre jedenfalls mir und habe es mir ausgehändigt.

Das heißt man denn doch die Kemütlichkeit auf die Spitze getrieben, umsomehr, als der E . . . seine letzte Angabe, den „Sozialdemokrat“ betreffend, sich tatsächlich aus den Fingern gesogen hatte. Seine Adresse war noch gar nicht benützt, der arme Kerl war aber durch die Haussuchung so verwirrt, daß er nicht nur den armen W., sondern sich selbst ans Messer lieferte, indem er sich mit seiner Angabe als Verbreiter des „Sozialdemokrat“ denunzierte. Dies war der Grund zu seiner sofortigen Verhaftung und der Grund zu meiner Vorführung vor die Staatsanwaltschaft, vor deren Tür ich ihn postiert fand, ein wahres Jammerbild.

Nach meinem Eintritt bei dem gestrengen Herrn Staatsanwalt richtete derselbe zunächst eine unverfängliche Frage an mich, die ich auch bereitwilligst beantwortete. Als er nochmals fragte, erklärte ich ihm, daß ich die Antwort verweigere, bis ich wüßte, zu welchem Zweck die Fragen an mich gerichtet würden. Nun eröffnete er mir, daß ich im Verdacht der Verbreitung verbotener Schriften stehe. Auf meine Frage: „Worauf gründet sich dieser Verdacht?“ erklärte er: „Schlosser F. habe die von mir oben angegebenen Mitteilungen bezüglich des „Sozialdemokrat“ gemacht“. Ich war wie aus den Wolken gefallen, soviel Dummheiten hatte ich von dem kemütlichen Sachsen denn doch nicht erwartet. Ich sagte deshalb auch auf diese Eröffnung des Staatsanwalts: „Das ist aber gar nicht möglich, das glaube ich nicht, das kann gar nicht sein!“

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)