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gelüftet. Da die Vergitterung nach innen geht insofern zweckmäßig, als man an derselben Turnübungen vorzunehmen imstande ist, um seine Knochen vor dem Einrosten zu bewahren.

Das war nun soweit alles gut, des Guten zuviel war nur der Umstand, daß in diesem für zwei Personen bestimmten Raum, wegen Raummangel zunächst deren drei zu kampieren gezwungen waren, was dazu führte, daß mir als dem zuletzt Eingetroffenen die Lagerstatt über Nacht auf dem blanken Fußboden bereitet wurde in Form von Strohsack, Kopfpolster und Teppichen mit den üblichen Leintüchern. Das Ganze wurde, um wandeln zu können, tagsüber auf eine Pritsche gebracht.

Eine weitere nennenswerte Wohltat wies meine neue Behausung gleichfalls auf. Wanzen gab es keine, wie mir auf sofortige angelegentliche Erkundigung bestimmt versichert wurde.

Die beiden Insassen sahen auch wirklich anständiger von Außen als von Innen aus. Der Herr Lehrer besonders war innerlich ein sehr schmutziger Kamerad. Er war verheiratet, ein angehender Vierziger und war wegen falscher Anschuldigung in Untersuchungshaft genommen. Der Schmutzfink hatte einen Demokraten, einen Bierbrauer seines Ortes, wegen Kaiserbeleidigung fälschlich denunziert, was den dicken Brauer einige Tage nach Nr. 1 des Landgerichtsgefängnisses brachte, wo ihn aber sein Busenfreund der „Herr“ Lehrer sofort ablöste, um nicht einige Tage, sondern einige Wochen dort zu verbringen und noch extra wegen falscher Anschuldigung sechs Wochen Gefängnis aufgebrannt zu erhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/70&oldid=- (Version vom 1.8.2018)