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„Tun Sie, was Sie nicht lassen können“. Damit war auch dieses Verhör beendet.

Als ich nach einigen Tagen, da mir die Haft zu lange dauerte, von meinem Beschwerderecht Gebrauch machen wollte und um Vorführung bat, mußte ich zu meinem großen Erstaunen erfahren, der Herr Untersuchungsrichter sei auf unbestimmte Zeit nach Berlin verreist.

Und so war es auch. Die unbestimmte Zeit dauerte länger als drei Wochen und wir politischen „Verbrecher“ mußten ruhig weiter sitzen bis es dem Herrn Kegelmaier gefiel, von Berlin zurückzukehren und sich unser zu erinnern. Eine prächtige Justiz das, nicht wahr?

Diese lange Zeit verbrachte ich abwechselnd mit Lesen und anfangs auch mit Schrauben unseres Schullehrers, auf den ich es besonders abgesehen hatte.

Nachdem der Schullehrer verknurrt war und zum Abbrummen seiner sechs Wochen uns verlassen hatte, wurde auch der Kommissionär etwas mitteilsamer. Er erzählte mir seine Leidensgeschichte und dabei erfuhr ich, daß er in den letzten acht Wochen überhaupt nicht mehr vernommen wurde. Ich gab ihm den Rat, sich beim Landgerichtsdirektor melden zu lassen, was er denn auch tat, aber nicht vorgeführt wurde, sondern es wurde ihm der Bescheid, seine Akten liegen bei der Staatsanwaltschaft und er müsse sich eben gedulden.

Ich meinerseits beauftragte unseren Cerberus, sofort nach der Rückkehr des Untersuchungsrichters mich zu melden, mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß ich Beschwerde erheben wolle sowohl wegen meiner Inhaftnahme, als meiner ferneren Inhaftbehaltung.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)