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Böckingen, der heutigen sozialdemokratischen Hochburg des Wahlkreises, will ich erwähnen.

Der dortige Ortsgewaltige, der gleichfalls Ueberwachender war, verdankte seine Wahl zum Ortsvorsteher ausschließlich den Arbeitern, denen er ein ganzes Bündel von Versprechungen gegeben hatte.

Als unser Redner beim Kapitel indirekte Steuern verweilte, nachwies wie diese Steuern wirken, daß der kleine Mann, der Arbeiter, im Verhältnis zu seinem Einkommen am schwersten dadurch belastet, besteuert wird, löste dieses Genie die Versammlung auf.

Nun erhob sich ein Sturm in der überfüllten Versammlung, wie ich in Böckingen noch keinen erlebt habe. Rufe wie: „Schmeißt ihn naus!“ „Da habt ihr ihn!“ „So hält man die schönen Versprechungen vor der Wahl!“ und andere mehr wurden laut. Der Gewaltige war ganz klein geworden, geisterbleich stand er unter seinen lieben Mitbürgern und unser Redner konnte noch einen kräftigen Appell an die Anwesenden richten, am Wahltag mit dem sozialdemokratischen Stimmzettel auch gegen diese Auflösung zu protestieren, was denn auch allseitig befolgt wurde.

Ein frischer Zug ging bei den Wahlen 1890 durch das deutsche Volk. Die Wähler hatten einsehen gelernt, daß sie 1887 auf das schmählichste belogen und beschwindelt wurden. Sie hatten einsehen gelernt, daß die Sozialdemokratie mit ihrer Behauptung recht hatte, daß es sich bei der Auflösung des Reichstags 1887 lediglich um weitere Militärbewilligungen, um weitere Volksbelastungen handelte.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)