Seite:Haenel Kostbare Waffen.pdf/4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
EINLEITUNG

Der Klassiker der englischen Waffenkunde, Sir Samuel Meyrick, hat in einem seiner frühesten Werke, das auch der damals noch in den Kinderjahren ihrer Entwicklung stehenden Disziplin in Deutschland mit die Wege gewiesen hat, die Dresdner Rüstkammer so gepriesen: the finest collection probably of armour in the world, if considered as works of art.

Wenn sich in den Waffensammlungen der Habsburger, am Kaiserhofe zu Wien und in den königlichen Gemächern des allerkatholischesten Herrschers zu Madrid, das künstlerische Schaffen der führenden Waffenschmiede und ihrer Mitarbeiter auch noch glänzender spiegelt, wenn es den Herzögen des Hauses Savoyen gelang, zahlreichere Werke der großen italienischen Meister, in denen die Prunkfreude und der Geschmack der Renaissance lebendig wird, in ihrer Armeria zu vereinen, wenn schließlich die Kriegszüge des stolzen Frankreich das Musée de l’Armée weit über den Rahmen der einheimischen Produktion hinaus gefüllt haben, so bleibt der Dresdner Rüstkammer ein anderer, reinerer Ruhm. Sie bietet heute noch, wenn auch verstümmelt, so doch unverfälscht, ein Bild der Freude an Wehr und Waffen, wie sie den Fürsten des 16. und 17. Jahrhunderts eigen war, und in ihren Schätzen funkelt die künstlerische Gesinnung einer Zeit, in der die Waffe, dem eingeborenen kriegerischen Zweck entzogen, als Träger dekorativer Gestaltungsmöglichkeiten der Stilbewegung und dem kunsthandwerklichen Persönlichkeitswillen folgte. Die edelsten Werkstoffe, die zartesten wie die kraftvollsten ornamentalen Eingebungen finden sich in der Waffe zu vollendeten Harmonien zusammen. Unter dem Gewande dieser mit jeglicher Sorgfalt gepflegten Schönheit verlieren die Notwendigkeiten des praktischen und technischen Zwecks ihre harten Umrisse: die Waffe wird ein unentbehrlicher Teil in der Ausstattung des Vornehmen, ein Stück der Gewandung selbst des Bürgers bei festlichem Anlaß.

Im höfischen Leben des Fürsten aber rückte die Waffe in die erste Reihe der Gegenstände, die als Geschenke dem verwandtschaftlichen, freundwilligen und diplomatischen Verkehr sachliche Stützung verliehen. So zog die zur Leidenschaft gesteigerte Sammelfreude der hohen Herren aus den verschiedensten Quellen ihre Nahrung. Neben die Stücke, welche der fürstliche Liebhaber selbst dem Meister in Auftrag gab, reihten sich die Spenden der Anverwandten, der Standesgenossen, der Vornehmen, die sich leicht und ritterlich so die Gunst des Herrschers erkauften. Stärker aber als an anderen Fürstenhöfen flossen in Dresden die Mittel zur Mehrung dieses wehrhaften Hausbesitzes, wo die politische Einsicht und die kriegerische Begabung der Fürsten, gestützt auf die reichen natürlichen Kräfte des zwar kleinen, aber musterhaft verwalteten Landes, sich mit dem Ehrgeiz vereinigten, der auch keine Opfer scheut, wenn es gilt, das Ansehen des Hauses durch irdisches Gut von bleibendem Werte zu mehren. Legten die Herzöge Georg und Heinrich, der Fromme, genannt, den Grund zu der sächsischen Rüstkammer, so konnte des Letzteren Sohn August in dreiunddreißig Jahren einer so klugen wie machtbegierigen, in allen materiellen Fragen ungewöhnlich erfolgreichen Regierung diesen Besitz auf ziemlich das Zehnfache seines Bestandes vermehren. Das Vierteljahrhundert, das seiner Herrschaft folgte, führte durch Christian I. und mehr noch durch dessen Sohn Christian II. die Rüstkammer auf die Höhe ihrer Entwicklung. In den Jahren, die für die stilistische Ausgestaltung der Waffe im Sinne eines selbständigen Kunstwerkes die reichsten und fruchtbarsten waren, trat der sächsische Hof als Käufer mit dem zu Wien in ernsthaften Wettbewerb. Als stolzeste Frucht dieser, keine Grenzen kennenden Leidenschaft des Erwerbs darf der Prunkharnisch des Heinrich Knopf aus Nürnberg von 1606 gelten. So fand Johann Georg I., als er 1611 seinem frühverstorbenen Bruder auf dem Thron folgte, die Rüstkammer in derart imponierendem Reichtum an Erzeugnissen edelster Prägung, aber auch an einfachen, knechtischen Waffen vor, daß er nur wenig zu tun hatte, um diesen von allen Zeitgenossen bewunderten Besitz als Glanzpunkt

Empfohlene Zitierweise:
Erich Haenel: Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1923, Seite IV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Haenel_Kostbare_Waffen.pdf/4&oldid=- (Version vom 6.1.2019)