Seite:Handbuch der Politik Band 1.pdf/106

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

Republik, speziell der Aristokratie und innerhalb des Genus „zusammengesetzter Staat“ repräsentieren nordd. Bund und Reich die Spezies „Bundesstaat“.

Nordd. Bund und deutsches Reich sind als Staaten auch in die Völkerrechtsgemeinschaft eingetreten und allgemein anerkannte Völkerrechtssubjekte. Der Eintritt in die Völkerrechtsgemeinschaft und dadurch der Erwerb der völkerrechtlichen Persönlichkeit vollzog sich letzten Endes entscheidend durch den selbsteigenen, nach aussen kundgegebenen Entschluss beider Gesamtstaaten, sich am völkerrechtlichen Verkehr zu beteiligen. Die völkerrechtliche Anerkennung von seiten der bisherigen Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft deklarierte nur den vollzogenen Eintritt bezw. Erwerb. Die Bekanntgabe des Entschlusses zur Beteiligung am völkerrechtlichen Verkehr erfolgte aber schon durch die verfassungsmässige Bestellung eines bestimmten Organs für den völkerrechtlichen Verkehr d. h. des Vertreters des Bundespräsidiums (Art. 11). Andrerseits ist, soweit die Untertanenstellung der deutschen Gliedstaaten nicht hindernd im Wege steht, auch diesen die Ausübung der Befugnisse eines Völkerrechtssubjekts nicht verwehrt. Die Einzelstaaten haben selbst dem nichtdeutschen Ausland gegenüber nicht nur das aktive und passive Gesandschaftsrecht, sondern auch das Recht der Vertragsschliessung über die Gegenstände, die nicht reichsverfassungsmässig der ausschliessenden Bestimmungssphäre des Reichs angehören. Das Kriegs- und Friedensrecht ist jedenfalls ausschliessend Reichssache.

In Elsass-Lothringen gehört zum Reichsgebiet ein Landstrich, welcher nicht staatlichen Charakters ist, andererseits auch zu keinem Gliedstaat gehört. In Elsass-Lothringen herrscht unmittelbar das Reich als staatliche Einheit und zwar ist der Kaiser zum besonderen Repräsentativorgan der Reichsstaatsgewalt hier bestellt (§ 3 R.G. v. 9. VI. 1871: Die Staatsgewalt in Elsass-Lothringen übt der Kaiser aus), ohne jedoch zum „Landesherrn“ im strengen staatsrechtlichen Sinn zu werden. Elsass-Lothringen ist unmittelbarer Verwaltungsdistrikt der Reichsgewalt (Reichsland, Reichsprovinz). Der Versuch, für Elsass-Lothringen den Staatscharakter in Anspruch zu nehmen, wäre nur dann berechtigt, wenn dasselbe der Reichsgewalt gegenüber die Befugnis der Selbstorganisation besässe, wie solche tatsächlich den wirklichen Einzelstaaten zusteht.




9. Abschnitt.


Staat und Kirche.
Von
Geh. Justizrat D. Dr. Wilhelm Kahl,
o. Professor der Rechte an der Universität Berlin.


1. Allgemeines.

Eichhorn, Grundsätze des Kirchenrechts etc., Bd. I (1831) S. 50 ff., 128 ff., 180 ff., 214 ff., 266 ff, Bd. II (1833) S. 208 ff.
Richter-Dove-Kahl, Lehrb. des Kirchenrechts, 8. Aufl. (1880) §§ 15, 22–24, 30, 44, 48, 52. 69, 74, 98–102.
Friedberg, Lehrb. des Kirchenrechts. 6. Aufl. (1909) §§ 10, 12, 14 f., 19 f., 29 f.; De finium inter ecclesiam et civitatem regundorum judicio etc. 1861; Die mittelalterlichen Lehren über daa Verhältnis von Staat und Kirche in Zeitschr. f. K. R. Bd. VIII (1869): Die Grenzen zwischen Staat und Kirche und die Garantien gegen deren Verletzung, 1872.
Hinschius, Allgemeine Darstellung der Verhältnisse von Staat und Kirche im Hdb. d. öff. Rechts. Bd. I, 1 (1883).
Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik, I. (1895) S. 246–412; Die Verschiedenheit kathol. und evang. Anschauung über das Verhältnis von Staat und Kirche, 1886; Aphorismen zur Trennung von Staat und Kirche, 1908.
Scherer, Handb. des Kirchenrechts Bd. I, 1886. § 14.


Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/106&oldid=- (Version vom 17.7.2021)