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Bodenwerte von der Politik der Gemeinden in erster Linie abhängt. Die Besteuerung des Grundes und Bodens zeigt in besonderem Masse wie eng die Finanzpolitik der Gemeinden zusammenhängt mit ihren sonstigen Massnahmen; kann doch durch eine falsche Bodenbesteuerung eine erhebliche Erschwerung der Bebauung herbeigeführt werden, wie andererseits eine richtige Bodenbesteuerung zugleich im Dienst der allgemeinen Boden- und Wohnungspolitik steht. Die Besteuerung des Grundes und Bodens überhaupt rechtfertigt sich ja dadurch, dass in den Gemeinden mit Notwendigkeit die Entwicklung der Bevölkerung, des wirtschaftlichen Lebens und aller Bevölkerungsbedürfnisse eine Steigerung der Bodenwerte im Gefolge hat, eine Steigerung, die durch die Tätigkeit des Bodenbesitzers gar nicht oder nur in geringem Masse bedingt ist, sodass die Gemeinde, wenn sie den Grund und Boden besteuert, nur das sich zurückgewähren lässt, was sie selbst dem Bodenbesitzer gegeben hat. Das Ideal einer Bodenbesteuerung wäre also eine regelmässig wiederkehrende Besteuerung des steigenden Bodenwertes. Solange diese nicht durchgeführt ist, kann annähernd dasselbe Ziel erreicht werden, indem einerseits der Grund und Boden besteuert wird nach dem Werte, der ihm jeweilig zukommt, anderseits die Steigerung berücksichtigt wird bei einem eintretenden Eigentumswechsel. Bei der Besteuerung der letzten Art, der Wertzuwachssteuer, konkurriert allerdings, nach der neuesten Gesetzgebung im Reiche, dieses insofern mit den Gemeinden als es den Vermögenszuwachs besteuert. Indessen bleibt der oben ausgesprochene Gedanke, das grundsätzlich die Besteuerung des Bodens in erster Linie Gemeindesache sei, von dieser Gesetzgebung unberührt. In zunehmendem Masse haben die Gemeinden weiterhin die Besteuerung gewisser Luxusbedürfnisse neuerdings unternommen. Insbesondere ist die Besteuerung der Lustbarkeiten zu einer ergiebigen Einnahmequelle geworden, eine Besteuerung, die um deswillen eben nur von den Gemeinden durchgeführt werden kann, weil bei ihr die örtlichen Verhältnisse eine ausschlaggebende Rolle immer spielen werden. Die Besteuerung des Einkommens der Bürger ist den Gemeinden nicht ganz verschlossen, ja die Dinge haben sich in Preussen allmählich so gestaltet, dass der grössere Teil der Gemeinden mit seinen Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer deren Satz überschreitet, in nicht seltenen Fällen das doppelte der Staatssteuer erreicht. Diese Erscheinung ist bedenklich für den Staat, der seine eigenen Steuerquellen von den Gemeinden auf diese Weise erschöpft sieht, sie ist aber auch bedenklich für die Gemeinden selbst, sofern eine Ueberlastung der Einkommen ihrer Bürger notwendig die Entwicklung der Gemeinde gefährdet, und sich der circulus vitiosus ergibt, dass die Gemeinde hohe Steuern hat, weil ihr die wohlhabenden Bürger fehlen und keine wohlhabenden Bürger hat, weil sie zu hohe Steuern erhebt. Um so mehr muss darauf gedrungen werden, dass die Gemeinden so viel als irgend möglich ihre Bedürfnisse aus den Quellen zu decken suchen, die ihnen ausschliesslich überlassen sind, sowie, dass sie bei ihrer gesamten Finanzgebarung es an der nötigen Rücksicht auf den Staat nicht fehlen lassen. Diese Forderung wird auch dann betont werden müssen, wenn die Beschaffung von Geldmitteln durch Anleihen in Frage steht. In dieser Hinsicht ist zweifellos stark gesündigt worden. Die Gemeinden haben häufig Ausgaben auf Anleihen übernommen, die richtiger durch zurückgelegte Mittel befriedigt worden wären. Die Gemeinden haben in dieser Hinsicht genau denselben Fehler begangen, den die Staaten in nur zu vielen Fällen sich haben zuschulden kommen lassen. Sie haben auch in dieser Beziehung die Erfahrungen, die in der Einzelwirtschaft gemacht werden, keineswegs genügend berücksichtigt. Denn wenn Ausgaben periodisch wiederkehren, so wird im Einzelhaushalt für diese Ausgaben eine Aufstellung gemacht, es wird ein Fonds angesammelt. In der Gemeindefinanzpolitik aber ist der Gedanke, durch Aufsammlung von Fonds für die Zukunft zu sorgen, überhaupt erst in neuerer Zeit zur Geltung gebracht und noch lange nicht in dem wünschenswerten Umfange. Es ist aber gerade durch diese Anleihewirtschaft der Gemeinden mitverursacht worden, dass der Geldmarkt durch öffentliche Anleihen allzusehr in Anspruch genommen und deren Kurs gedrückt worden ist. Und eine Gesundung dieser Verhältnisse wird durch die Staatspolitik allein niemals herbeigeführt werden können; die Kommunalpolitik muss zu ihrem Teil, ja an erster Stelle dazu beitragen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/253&oldid=- (Version vom 31.7.2021)