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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

Eine ähnliche Scheidung ausgelöster und unausgelöster statistischer Verwaltung findet sich in allen grösseren und mittleren deutschen Staaten, für eine Anzahl von Kleinstaaten (6) besteht das gemeinsame statistische Bureau vereinigter thüringischer Staaten, nur 3 kleine Staaten haben keine besondere Organisation der Statistischen Verwaltung. Besonders reich hat sich in Deutschland die Städtestatistik entfaltet; zurzeit haben 47 deutsche Städte eigene statistische Ämter.

Bei dieser reichen Ausgliederung der deutschen Verwaltungsstatistik bestehen selbstverständlich sehr bedeutungsvolle Beziehungen zwischen den verschiedenen Organisationsreihen, insbesondere zwischen Reichsstatistik und Landesstatistik und andererseits zwischen Landesstatistik und Städtestatistik. Die befriedigende Ausgestaltung der gesamten Verwaltungsstatistik in Deutschland und im besonderen die Wahrung der bestmöglichen Dienstleistung derselben für die Politik in Reich, Staat und Stadt erheischt eine sorgsame Wahrung des für die Reichsstatistik, die Landesstatistik und die Städtestatistik sachgemäss zu ordnenden Wirkungskreises der statistischen Verwaltung und insbesondere des diesen verschiedenen Instanzen zu wahrenden Verfügungsrechts über das Urmaterial der wichtigsten allgemeinen statistischen Ermittlungen, wie sie beispielsweise in unseren Volkszählungen und den Berufs- und Betriebszählungen gegeben sind. Eine unitarische Entwicklung, welche das gesamte Urmaterial solcher Erhebungen der städtischen und staatlichen Verwaltungsstatistik entzöge, wäre der schwerste Schlag, der gegen die harmonische Entwicklung der Reichs-, Landes- und Städtestatistik geführt werden könnte. Um die Jahreswende 1910/11 sah es danach aus, als könnte Ähnliches drohen und noch in den Reichstagsverhandlungen über den Reichs-Etat 1911 war keine Klärung geschaffen. Seitdem aber kann man die aus zu weitgehender Zentralisationstendenz des damaligen Leiters der Reichsstatistik erwachsene Gefahr wohl als beseitig erachten, jedenfalls muss man dies eindringlichst erwarten; ich möchte deshalb auf den hoffentlich nur vorübergehenden schweren Traum besorgter deutscher Statistiker, unter denen auch ich mich literarisch gemeldet habe, nicht eingehen – habe auch die bezügliche Literatur nicht erwähnt. So möge es denn auch fernerhin, vorbehaltlich gewisser nützlicher Verschiebungen im einzelnen (sei es zugunsten der Reichsstatistik, sei es zugunsten der Landes- und Städtestatistik) dabei bleiben, dass in Deutschland gewisse Zweige der Verwaltungsstatistik, soweit die Verarbeitung der Urmaterials und die Veröffentlichung in Frage sind, allein dem Kaiserlichen Statistischen Amt verbleiben (unmittelbare oder zentrale Reichsstatistik), dass weiter andere Gebiete der Statistik in Materialverarbeitung und Publikation unbeschränkte Landessache sind, daraus aber gewisse gleichartig gestaltete Nachweise von den Landesregierungen dem Kais. Statistischen Amt zur Verfügung gestellt werden mit dem Vorbehalt, dass in verwaltungsstatistisch nicht genügend ausgerüsteten Bundesstaaten deren Regierungen die Übertragung der Materialbearbeitung an das Kaiserliche Statistische Amt freisteht (mittelbare oder föderierte Reichsstatistik). Endlich verbleibt der landesstatistischen wie der städtestatistischen Verwaltungsstatistik je noch ein weiteres Gebiet freier autonomer Entfaltung partikularen und lokalen Charakters, wobei im einzelnen zwischen Land und Staat noch geeignete Sonderverständigungen über die Materialbearbeitung gerade wie auch bei der Materialbearbeitung für die förderierte Reichsstatistik vorbehalten bleiben.

Abschliessend sei nach diesem – notgedrungen kurzen – Ausblick auf das Wesen und die Ausgestaltung der Verwaltungsstatistik noch in Anknüpfung an den Anfang dieser Darlegung zusammenfassend der Bedeutung der Statistik für die Politik und die besonderen politischen Aktionen gedacht. Die Statistik bietet ein besonders wirksames Mittel einer objektiven fortlaufenden oder in einzelnen Zeitpunkten mit Erfolg einsetzenden Beobachtung der Wirkungen vorangegangener politischer Aktion. Aus solchen statistischen Erfahrungen über die Vergangenheit können neue politische Ziele als erstrebenswert sich darstellen, und dazu können zielbewusst einsetzende besonders geartete statistische Massenbeobachtungen für die konkrete Formulierung der in Verfolgung der neuen Ziele zu fassenden politischen Entschlüsse die erforderliche sichere Unterlage bieten. Geschichtlich bestätigt wird die Innigkeit der Beziehungen zwischen Statistik und erfolgreicher Politik durch eine Tatsache, die ich einmal bei festlichem Anlass in Worten erwähnt habe und die Platzer seinem Jahrbuch der Statistik als Motto beigegeben hat; diese Worte lauten: „Ein aufstrebendes Staatswesen liebt die Statistik, ein niedergehendes verachtet sie!“



Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/260&oldid=- (Version vom 31.7.2021)