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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

b) Schwurgericht und Schöffengericht.
Von
Geh. Hofrat Dr. Friedrich Oetker,
o. Professor der Rechte an der Universität Würzburg.

Literatur:

A. Schwurgericht.
Geschichtlich:
Biener, Engl. Geschworenengericht 1852 fg.,
Brunner, Entstehung der Schwurgerichte 1872.
Dogmatisch:
Glaser-Oetker, Handbuch des Strafprozesses Bd. 3, 1907.
Ausserordentlich reich die rechtspolitische Literatur.
Eingehende Nachweise der einheim. u. ausländ. Lit. bei
Glaser-Oetker Bd. 1 S. 18 fg., 130 fg., 145 fg., 156 fg., 162 fg., 173 fg.,
Bd. 3 S. 3, 42 (Gerichtsbildung; Oetker, Arch. f. Strafrecht Bd. 49, 50), 88, 117 u. 328
(Fragestellung;
H. Meyer, Tat- u. Rechtsfrage im Geschw.-Gericht 1860,
v. Bar, Recht u. Beweis im Geschw.-Gericht 1865,
Glaser in Holtzend. Rechtslexikon 1, 905 fg.,
Oetker, Gerichtssaal Bd. 64 S. 55 fg.), 369 (Wahrspruch), 436 (Prüfung des Wahrspruchs), 530 (Aufhebung des Spruchs), 574 (Rechtsbelehrung), 649 fg. (Schwur- oder Schöffengericht?).
Ferner:
Sammelwerk Mittermaier-Liepmann, Schwurger. u. Schöffengerichte, 2 Bde. 1906 fg.;
Beiträge z. Reform des Strafprozesses 1908 fg. Bd. 1 H. 4 (Bericht einer Kommiss. der Internat, kriminal. Vereinigung)
H. 6 (Kleinfeller);
Zeitschr. f. Strafrechtswiss. Bd. 31 S. 15 fg. (Rosenberg).
B. Schöffengericht.
Geschichtlich, dogmatisch und rechtspolitisch:
Glaser-Oetker, Handbuch I S. 175 Anm. 10, III S. 649 fg., 665 (Gerichtsbildung);
Sammelwerk Mittermaier-Liepmann.
Zu A und B. Auf einige für die Zwecke des Aufsatzes besonders wichtige Schriften ist im Text hingewiesen.


I. Die Heranziehung nicht-beamteter Richter zum Strafgericht – eine kriminalpolitische Forderung, deren Berechtigung besonderer Prüfung bedarf (vgl. Wach, Volksrichter und Berufsrichter, in diesem Handbuch Abschnitt 22) – kann in Form des Schwurgerichts und des Schöffengerichts erfolgen. Der stets sich erneuernde Kampf zwischen den Anhängern der einen und der andern Bildung deutet darauf, dass beide eigentümliche Vorzüge und Mängel besitzen, und legt den Gedanken nahe, in einem einheitlichen gemischten Gericht nach Möglichkeit die Nachteile beider Institutionen zu überwinden, ihre guten Seiten zu vereinigen. Vorschläge in dieser Richtung bei Oetker Gerichtssaal Bd. 68 S. 81 fg., Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie Bd. 2 Heft 2. Geschworene und Schöffen sind naturgemäss ganz überwiegend Laien, doch ist nicht ausgeschlossen, dass sie rechtsgelehrte Bildung besitzen. Nicht-beamtete und Laien-Richter dürfen daher bei Würdigung der gemischten Gerichte nicht schlechthin gleichgestellt werden. Scharfe Trennung in der Fragestellung bei Binding, die drei Grundfragen zur Organisation des Strafgerichts (1876).

II. Der Ursprung der englischen Jury, die von Frankreich in der Revolutionszeit übernommen, hier stark umgebildet wurde und dann in dieser Gestalt einen grossen Teil des europäischen Kontinents, insbesondere von 1848 an das deutsche und österreichische Rechtsgebiet sich eroberte, ist nicht auf englischem Boden zu suchen. Der Keim liegt, wie Brunner bewiesen hat, in einem Institute des fränkischen Reichsrechts, in der „inquisitio“, der Vernehmung einer Anzahl wissender Gemeindegenossen durch den Richter nach eidlichem Wahrheitsversprechen, einem Gebilde, das von den erobernden Normannen aus dem Frankenreiche nach England übertragen und hier lebensvoll weiter entwickelt wurde, während es im Ursprungsgebiete verkümmerte. In zwei Anwendungen beherrscht die Jury das englische Rechtsleben. Die „grosse“ oder „Anklage“- Jury (23 Mitglieder) hat zu entscheiden (nach Stimmen-Mehrheit), ob die Anklage zur Verhandlung zuzulassen sei; sie ist hervorgegangen aus der Rüge der Genossen auf Befragung des Richters hin, die nach fränkischem Rechte zur Gleichbehandlung des Gerügten mit einem wegen des erfragten Vergehens Beklagten führte. Die „kleine“ oder „Urteils“-Jury fällt in der Hauptverhandlung auf Grund der Beweisaufnahme den Wahlspruch („veredictum“, Verdikt) über die Schuld, während die Strafe vom

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/383&oldid=- (Version vom 18.8.2021)