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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

der gegen sie erhobenen Einsprachen. Die Jahresliste zerfällt in die Hauptliste für den regelmässigen Bedarf und die Hilfsliste – Personen, die in der Nähe der Gerichtsstelle wohnen – zur Deckung eines Schöffen-Ausfalls (Behinderung, unentschuldigtes Ausbleiben pp.) bei einzelnen Sitzungen (nach einer vom Ausschuss festzusetzenden Reihenfolge). Die Zahl der Hauptschöffen ist so zu bemessen, dass voraussichtlich jeder zu höchstens 5 Sitzungstagen im Jahre herangezogen wird. Die Schöffen werden bei der ersten Dienstleistung für das Geschäftsjahr im ganzen beeidigt (Geschworene für jede einzelne Sache). Die Farblosigkeit der Formel, die namentlich nicht die Bindung des Schöffen an das Gesetz ausdrückt, ist zu beanstanden. Weit besser der österr. E. § 240 a.

Entscheidung durch den Amtsrichter allein lässt das geltende Recht nur zu, wenn der Beschuldigte lediglich wegen Übertretung verfolgt nach vorläufiger Festnahme vorgeführt wird, geständig ist und die Staatsanwaltschaft zustimmt. Erhebliche Erweiterung des schöffenlosen Verfahrens soll nach den Entwürfen eintreten.

Zur Bestimmung der Landgerichtsschöffen kombiniert der deutsche Entw. das schwurgerichtliche und das schöffengerichtliche Bildungsprinzip: Vorschlagsliste durch Wahl aus der Urliste seitens des Amtsgerichts-Ausschusses, Jahresliste durch Wahl aus der Vorschlagsliste seitens des Landgerichts, Auslosung auf die Sitzungstage durch das Landgericht.

Schöffen bei den „Jugendgerichten“, d. h. besonderen nach Anordnung der Landesjustizverwaltung bei den Amtsgerichten zu bildenden Abteilungen, sollen nur solche Persönlichkeiten sein, die auf dem Gebiete der Jugenderziehung besonders erfahren sind (Lehrer, Lehrherren, Mitglieder von Fürsorge-Vereinen pp.). Daher ist für diese Abteilungen eine Spezial-Jahresliste zu bilden. Um ein Zurückdrängen der sachverständigen Begutachtung durch die Annahme eigener Sachkunde zu verhüten und die „Väter“ nicht vom Gericht auszuschliessen, wäre richtiger die Heranziehung nur je eines Spezialschöffen. Auch sollten in Erweiterung des Entwurfs Jugendabteilungen mit je einem Spezialschöffen bei den Landgerichten ebenfalls bestehen.

Der österr. Entw. über die Bildung der Schöffenlisten ist in der Hauptsache nach deutschem Muster gearbeitet; zwischen Urliste und Jahresliste steht die von einem Verwaltungsbeamten aufgestellte Vorschlagsliste, die Jahresliste wird durch eine dem deutschen Amtsgerichtsausschuss entsprechende Kommission aus der Urliste unter Benutzung der Vorschlagsliste ausgewählt.

Im Hinblick auf Ordnungsstrafen, Ersatz der Reisekosten, Gewährung von Tagegeldern stehen die Schöffen den Geschworenen gleich.



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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/392&oldid=- (Version vom 18.8.2021)