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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

und Weise, wie die Rechtsordnung in einem Staat den Träger der Staatsgewalt bestimmt, entscheidet über die Verfassungsform des Staates, und zwar fällt die letztere, je nachdem zum Träger der Staatsgewalt eine physische Person berufen ist oder nicht, unter die Grundtypen entweder der Monarchie oder der Republik (Freistaat).

1. Der Staatsform „Monarchie“ gehören also alle Staaten an, in welchen kraft inneren Verfassungssatzes eine einzelne physische Person zum „Träger“ der Staatsgewalt („Herrscher“) berufen ist. Der Monarch steht nach moderner Anschauung nicht ausser und über dem Staat, sondern gehört demselben unmittelbar als Glied an, allerdings als ein solches Glied, von welchem als seinem eigentlichen Zentrum aus der Staatswille sich entfaltet und präsumtiv sich entfalten muss. Die Konzentration des Staatswillens in der Person des Monarchen ist der Inhalt des „monarchischen Prinzips“. Die Rechte und Pflichten, die der Monarch in Darstellung des Staatswillens wahrzunehmen hat, sind zwar an sich Rechte und Pflichten des Staates selbst als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Aber dem Monarchen gebührt persönlich ein eigenes, nicht auf eine andere irdische Instanz weiter zurückführbares Recht auf die Herrscherstellung. Das Wort Friedrichs des Grossen vom Monarchen als dem „ersten Diener des Staates“ ist nur von politischer Münze und gibt lediglich der Überzeugung Ausdruck, dass der Monarch seine Gewalt nicht als ein zu individuellem Vorteil und Belieben gewährtes Privatrecht, sondern eingedenk seines Berufs als Staatsorgan im Interesse der Staatsgesamtheit auszuüben hat. Juristisch ist der Monarch niemandes Diener oder Beamter. Deshalb eignet ihm auch die Lebenslänglichkeit der Herrscherstellung, wie die persönliche Unverantwortlichkeit, nicht nur wegen seiner Regierungsakte, sondern auch wegen seiner Privathandlungen. Die Ursprünglichkeit der monarchischen Herrscherstellung kennzeichnet das althergebrachte Prädikat der Monarchen „von Gottes Gnaden“.[1]

Je nach der Besetzungsart des Thrones oder der Regierungsweise des Monarchen zerfallen die Monarchien in folgende Unterarten:

a) Erbmonarchie und Wahlmonarchie. In der ersteren ist die Krone mit einer bestimmten Familie des Staatsvolks („Dynastie“) dergestalt verbunden, dass nach Massgabe einer bestimmten Folgeordnung immer ein Mitglied dieser Familie unmittelbar in die jeweilig frei gewordene Stellung des Trägers der Staatsgewalt einrückt. Der hergebrachte Ausdruck „Erbmonarchie“ kennzeichnet nicht ganz zutreffend das Wesen der Sache. Ein wirkliches Erben der Krone im privatrechtlichen Sinne findet von seiten des neuen Monarchen nicht statt; die Staatsgewalt, deren persönlicher Träger (durch Tod oder Verzicht) in Wegfall gekommen, ist kein Nachlass, der des rechten Erben harrte. Die Thronfolgeordnung ist eine Ordnung öffentlichen Rechts und bestimmt, in welcher Reihenfolge die bleibende Institution des Trägers der Staatsgewalt aus den Gliedern der Dynastie sich den notwendigen persönlichen Rollenträger gewinnt. Unmittelbar im Augenblick der Thronerledigung und ohne zeitliches Zwischenstadium[2] eignet die Rechtsordnung der Erbmonarchie sich den neuen Rollenträger für die Herrschergewalt an. Allen Mitgliedern der Dynastie, welche die näheren persönlichen Voraussetzungen erfüllen, gebührt schon von Geburts wegen eine selbstständige öffentlich-rechtliche Anwartschaft auf den Thron, die der Throninhaber nicht willkürlich, etwa durch Testament entziehen kann.


  1. Nach deutschem Staatsrecht lassen sich die Rechte des Monarchen in vier Gruppen ordnen: a) eigentliche Regierungsrechte d. h. die Befugnisse, welche in die dem Monarchen zustehende oberste Staatslenkung aufgehen; – b) Vermögensrechte d. h. Ansprüche auf Vermögenswerte, mit welchen der Monarch wegen der ihm obliegenden äusseren Repräsentation des Staatsverbandes von Staats wegen ausgestattet ist („Zivilliste“, pr. V. U. Art. 59); – c) Ehrenrechte, die entweder subjektiv der unmittelbaren Auszeichnung der Person des Monarchen dienen oder objektiv eine Ehrung anderer Personen zum Gegenstand haben (pr. V. U. Art. 50); – d) Anspruch auf persönliche Unverletzlichkeit (pr. V. U. Art. 43): α) Anspruch auf erhöhten strafrechtlichen Schutz bei Angriffen Dritter (R.St.G.B. § 80 f., 94 f., 98 f.); β) Unantastbarkeit der Person des Monarchen sowohl auf dem Gebiet des Zivil- (Unzulässigkeit von Personalarrest R.Z.P.O. § 918, 933), als namentlich dem des Strafrechte; γ) politische Unverantwortlichkeit gegenüber dem regierten Volk und seinen Vertretungen.
  2. Le roi est mort, vive le roi! – Le mort saisit le vif. – Rex non moritur.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/95&oldid=- (Version vom 10.7.2021)