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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1

In der Wahlmonarchie ist es Aufgabe besonderer Kreationsorgane (der Regel nach Wahlkollegien), durch einen juristischen Kreationsakt den Thron von Fall zu Fall zu besetzen. Mit der Vornahme des Kreationsakts ist das Recht des Kreationsorgans erschöpft; es ist nicht höheres Staatsorgan gegenüber dem Wahlmonarchen und die Gewalt des letzteren ist nicht eine delegierte des Kreationsorgans. Der Wahlmonarch ist – nach Vollendung des Wahlakts – rechter Monarch d. h. Herrscher kraft ursprünglichen Rechts und niemandes Diener oder Beamter. Ihm gebührt ebenfalls die Lebenslänglichkeit und persönliche Unverantwortlichkeit des Erbmonarchen.[1]

b) Unbeschränkte und beschränkte Monarchien. Die Staatsgewalt in ihrer Wirksamkeit oder Ausübung heisst technisch „Staatsregierung“ oder „Staatsverwaltung“ (im weiteren Sinne des Worts). In den Monarchien ist der Monarch ebenfalls der ursprüngliche Träger des Rechts der Staatsregierung und damit auch der drei darin enthaltenen Funktionen (Erscheinungsformen): der gesetzgebenden Gewalt (Rechtssetzung), der richterlichen Gewalt (Rechtsprechung) und der vollziehenden Gewalt (Regierung, Verwaltung im engeren und eigentlichen Sinne). Soweit nun die Staatsgewalt in diesen drei Funktionen zur Ausübung gebracht wird, kann der Monarch dabei von Rechts wegen durch eine Beteiligung anderer Staatsorgane entweder beschränkt sein oder nicht, und nach diesen beiden Möglichkeiten bestimmt sich der Unterschied zwischen beschränkter und unbeschränkter (absoluter) Monarchie. Doch spricht man in strengerem Sinne auch schon dann von absoluter Monarchie, wenn der Monarch nur bei der Ausübung der Gesetzgebung nicht durch ein Zustimmungsrecht eines anderen, seiner Befehlsmacht entrückten Staatsorgans beschränkt ist. Die absolute Monarchie, in welcher auf dem Boden der drei Funktionen der Staatsgewalt für den Monarchen keinerlei Schrankensetzung besteht, heisst Despotie. Sie kann der gemeinen Rechtsüberzeugung des Landes unter Umständen entsprechen, mithin Rechtsordnung sein. Eine unter Missbilligung der Untertanen ohne jegliche Schrankensetzung ausgeübte Monarchengewalt nennt man bisweilen Tyrannis. Die beschränkte Monarchie ist in neuerer Zeit besonders in den Formen der ständischen und der konstitutionellen Monarchie aufgetreten. In der ständischen Monarchie war der Monarch durch ein Kolleg (Körperschaft) von Angehörigen bestimmter Geburts- oder Berufsstände – mit einem Votum consultativum oder decisivum bei der Gesetzgebung – beschränkt. Die konstitutionelle Monarchie dagegen setzt dem Monarchen, mit einem votum decisivum bei der Gesetzgebung und mit einem Kontrollrecht gegenüber der ganzen Staatsverwaltung ein Kolleg zur Seite, welches von geburts- oder berufsständischer Interessenvertretung rechtlich entbunden, grundsätzlich Angehörige aller Bevölkerungsklassen in sich aufzunehmen fähig und dem Wohle der Staatsgesamtheit bei Wahrnehmung seiner Gerechtsame zu dienen bestimmt ist (Volksvertretung im engeren und eigentlichen Sinne). Die Volksvertretung ist – wie das Ständekolleg in der ständischen Monarchie – materiell der Befehlsgewalt des Monarchen entrückt; sie ist ebenfalls unmittelbares Staatsorgan mit ursprünglichen Kompetenzen. Aber eine unmittelbare Befehlsmacht gegenüber der Untertanenschaft steht der Volksvertretung nicht zu. Ihr kommt nur gegenüber der als Staatsregierung in der Ausübung begriffenen Staatsgewalt eine bestimmte, sich anschliessende, aufsichtführende oder zustimmende Willensaktion zu. Das Zustimmungsrecht der Volksvertretung bei der Gesetzgebung beschränkt sich auf die Befugnis, im Anschluss an das gleichartige Bestimmungsrecht des Monarchen mit demselben die Gesetzesfassung (den Gesetzesinhalt, Gesetzestext) festzustellen, während der die staatliche Herrschermacht unmittelbar bewährende Gesetzbefehl allein vom Monarchen erlassen wird (Sanktionsrecht).


  1. Die deutschen Monarchien sind heutzutage ausschliesslich Erbmonarchien. Regelmassig gilt in ihnen für die Thronfolge das „salische Gesetz“ d. h. nur Männer, die im Mannsstamm vom ersten Thronerwerber ihre Herkunft ableiten, sind thronfolgeberechtigt („Agnaten“ des deutschen Rechts; mas a mare). Ausgeschlossen sind die Frauen und ihre Nachkommen („Kognaten“. – Lex Salica: De terra vero nulla in muliere hereditas non pertinebit, ped ad virilem sexum, qui fratres fuerint, tota terra perteneat.). Nur subsidiär sind in einigen Staaten die Kognaten beim Fehlen von Agnaten berufen: in Sachsen, Bayern, Württemberg, wie auch in Österreich und Holland. In Spanien und England gilt die successio promiscua: es folgen zunächst die sämtlichen männlichen Abkömmlinge und bei deren Fehlen die weiblichen Abkömmlinge des letzten Herrschers, unter Aussohluss des Brüder desselben und ihrer Nachkommen.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/96&oldid=- (Version vom 12.7.2021)